Entscheidungsstichwort (Thema)
Postulationsfähigkeit von Kammerrechtsbeiständen. Unzulässige Berufung bei fehlender Postulationsfähigkeit des Kammerrechtsbeistands vor dem Landesarbeitsgericht
Leitsatz (amtlich)
Kammerrechtsbeistände (§ 209 Abs. 1 BRAO) sind vor den Landesarbeitsgerichten nicht gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 ArbGG i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 3 RDGEG postulationsfähig.
Normenkette
BRAO § 209 Abs. 1; ArbGG § 11 Abs. 2 S. 1, Abs. 4; ZPO § 85 Abs. 2, §§ 233, 236 Abs. 2 S. 2; RDG EG § 3 Abs. 1 Nr. 3
Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 08.05.2013; Aktenzeichen 29 Ca 7874/12) |
Nachgehend
Tenor
1.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 08.05.2013 - 29 Ca 7874/12 - wird als unzulässig verworfen.
2.
Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.
3.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob das Arbeitsverhältnis zwischen ihnen aufgrund der außerordentlichen Kündigung der Beklagten vom 29.10.2012 mit sozialer Auslauffrist mit Ablauf des 30.06.2013 geendet hat und ob die Beklagte zur Zahlung von Arbeitsentgelt für die Zeit vom 06.09.2012 bis 30.06.2013 verpflichtet ist.
Der am 01.01.1953 (oder am 01.01.1959) geborene, verheiratete und noch einem Kind unterhaltsverpflichtete Kläger war bei der Beklagten vom 16.09.1985 bis 31.05.1989 als Totengräber beschäftigt. Nach einer Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses trat der Kläger am 23.09.1991 erneut in ein Arbeitsverhältnis bei der Beklagten als Straßenreinigungswart ein. Dem Arbeitsverhältnis liegt ein Arbeitsvertrag vom 23.09.1991 zugrunde (Anlage 1 zur Klageschrift). Hiernach gelten für das Arbeitsverhältnis die Vorschriften des BMT-G II. Der Kläger war nach § 4 des Arbeitsvertrags übertariflich in die Lohngruppe II Fallgruppe 1 eingruppiert. Zum 01.09.1998 erfolgte die Eingruppierung des Klägers in die Lohngruppe IIIa (Anlage B 4).
Ab 01.08.2001 wurde der Kläger als Mülllader eingesetzt. Zum 01.10.2005 erfolgte die Überleitung der Eingruppierung in die Entgeltgruppe 3. Das Arbeitsentgelt des Klägers belief sich zuletzt auf EUR 2.436,28 brutto.
Seit 2007 wurden dem Kläger die Tätigkeiten eines Haus- und Hofreinigers übertragen. Aufgrund krankheitsbedingter Fehlzeiten konnte er diese Tätigkeit allerdings nur zeitlich eingeschränkt ausüben. Seit dem Jahr 2007 wies der Kläger folgende krankheitsbedingte Fehlzeiten auf:
Jahr |
2007 |
2008 |
2009 |
2010 |
2011 |
2012 |
Arbeitstage |
176 |
111 |
152 |
83 |
51 |
125 |
(bis einschließlich 06.09.2012)
Aufgrund der krankheitsbedingten Fehlzeiten entstanden der Beklagten folgende wirtschaftliche Belastungen durch Entgeltfortzahlungskosten:
2008 |
2009 |
2010 |
2011 |
2012 |
26.221,96 |
22.800,00 |
21.302,61 |
11.089,17 |
7.407,75 |
(Stand: 07.09.2012)
Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage B 7 verwiesen. Mit Bescheid des Landratsamts Böblingen vom 14.03.2011 wurde der Kläger mit einem Grad der Behinderung von 70% als schwerbehinderter Mensch anerkannt.
Von 2009 bis 2012 führte die Beklagte unter Mitwirkung des Integrationsamts ein Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX durch. Im Rahmen dieses Verfahrens erstellte der Facharzt für Arbeitsmedizin Dr. P. F. für das Integrationsamt am 19.04.2012 ein arbeitsmedizinisches Gutachten (Anlage 2 zum Schriftsatz des Klägers vom 30.09.2013, Abl. 97 der Berufungsakte). Hierin kam Herr Dr. F. zu dem Ergebnis, dass der Kläger an verschiedenen physischen Erkrankungen und zudem an einer psychotischen Depression leide. Die künftigen krankheitsbedingten Fehlzeiten könnten durchaus 30 Kalendertage im Jahr übersteigen. Die Tätigkeit als Mülllader und Straßenreiniger könne der Kläger nicht mehr ausüben. Möglich sei jedoch die vollschichtige Verrichtung leichter Tätigkeiten, so die eines Haus- und Hofreinigers.
Mit Schreiben vom 21.03.2011 bot die Beklagte dem Kläger ein betriebliches Eingliederungsmanagement an (Anlage B 12). Der Kläger teilte hierauf mit dem beigefügten Formularschreiben vom 13.04.2011 mit, dass er mit der zuständigen Mitarbeiterin einen Termin vereinbaren werde (Anlage B 2). Er meldete sich jedoch bei der zuständigen Mitarbeiterin nicht.
Im Jahr 2012 kam es zwischen den Parteien zu verschiedenen rechtlichen Auseinandersetzungen. Im Verfahren 22 Ga 66/12 begehrte der Kläger im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Zahlung von Annahmeverzugslohn in Höhe des Existenzminimums. Mit Urteil vom 10.10.2012 wies das Arbeitsgericht die Klage ab. Gegen dieses Urteil legte der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten im hiesigen Verfahren, Herrn Rechtsbeistand J., Berufung ein. Das Verfahren wurde unter dem Aktenzeichen 7 SaGa 2/12 geführt. Mit Verfügung vom 15.11.2012 erteilte der Vorsitzende in diesem Verfahren u.a. folgenden Hinweis:
"Die Postulationsfähigkeit des die Berufungsschrift unterzeichneten Rechtsbeistands ist mit § 11 Abs. 4 Satz 1 und 2 ArbGG nicht vereinbar."
Hierauf legte Herr Rechtsbeistand J. eine Verfügung des Präsidenten des Amtsgerichts Stuttgart vom 26.08...