Entscheidungsstichwort (Thema)
Wahlanfechtung wegen der Wahlbeteiligung von ABM-Beschäftigten. Anfechtung einer Betriebsratswahl
Leitsatz (redaktionell)
Im Rahmen von Arbeitsverträgen für bestimmte Projekte eingestellte ABM-Kräfte, sind für eine Betriebsratswahl wahlberechtigt, wenn die arbeitstechnische Zwecksetzung des einstellenden Betriebs zumindest auch in der Ausführung der Projektarbeit liegt und die ABM-Kräfte folglich diesem Zweck dienen.
Normenkette
BetrVG § 19 Abs. 1, §§ 7, 5 Abs. 1; SGB III §§ 260, 270; BSHG § 19
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Beschluss vom 13.09.2002; Aktenzeichen 74 BV 16019/02) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 13.09.2002 – 74 BV 16019/02 – aufgehoben.
Der Antrag des Beteiligten zu 1) wird zurückgewiesen.
II. Die Rechtsbeschwerde wird für den Beteiligten zu 1) zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der im Jahre 2002 durchgeführten Betriebsratswahl.
Der Antragsteller und Arbeitgeber (künftig: Beteiligter zu 1)) ist ein Verband, der in verschiedenen sozialen Bereichen tätig ist. Er ist in 20 Verbünde gegliedert, die jeweils einen eigenen Betrieb bilden. Einer dieser Verbünde hat seinen Sitz in Berlin und befasst sich mit der Durchführung von verschiedenen Projekten mit dem Ziel, Langzeitarbeitslosen und Sozialhilfeempfängern die dauerhafte Integration in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Es handelt sich dabei um Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) und Strukturanpassungsmaßnahmen (SAM) für Arbeitslose nach dem Sozialgesetzbuch III (SGB III) sowie um die Durchführung von Landes- und Bezirksprogrammen für Sozialhilfeempfänger. Mit den in den ABM-Projekten tätigen Personen, die ihm vom Arbeitsamt zugewiesen werden, schließt er dazu Arbeitsverträge ab, die in der Regel auf zwölf, maximal auf 24 Monate befristet sind. Von den hier maßgeblichen 13 Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen haben elf einen Qualifizierungsanteil von 20%, zwei enthalten einen Anteil von 50%. Die Qualifizierung erfolgt überwiegend als praktische Unterweisung auf dem Wege des „learning bei doing” und durch Bewerbungstraining. Teilweise sind die teilnehmenden Personen gehalten, betriebliche Praktika zu absolvieren. Sämtliche Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen werden fremd finanziert. Die einzelnen Projekte werden von einem festen Mitarbeiterstamm und Honorarkräften, darunter auch Sozialpädagogen, betreut.
Im Berliner Betrieb fand vom 23. Mai bis 28. Mai 2002 eine Betriebsratswahl statt, bei der elfköpfiger Betriebsrat (künftig: Beteiligter zu 2)) gewählt wurde. Im Wahlausschreiben ging der Wahlvorstand von deutlich mehr als 400 Wahlberechtigten aus, weil er die Mitarbeiter in den ABM-Projekten und Teile der Honorarkräfte zu den Stammkräften hinzuzählte. Die endgültige Wählerliste (Bl. 254-276 d.A.) enthielt zuletzt die Namen von 262 Stammbeschäftigten, 283 ABM-Beschäftigten und 39 Honorarkräften. An der Wahl nahmen 102 der in der Liste aufgeführten Personen teil, darunter auch zwei ABM-Teilnehmer eines Projekts mit einem Qualifizierungsanteil von 50% und ausweislich der Liste auch ein Teilnehmer, dessen Arbeitsverhältnis bereits beendet war. Es stellte sich aber heraus, dass an seiner Stelle ein namensgleicher Mitarbeiter versehentlich von der Wählerliste gestrichen worden war und nur dieser gewählt hatte. Das Wahlergebnis wurde am 28. Mai 2002 bekannt gegeben.
Mit seinem am 10. Juni 2002 beim Arbeitsgericht Berlin eingereichten Antrag hat der Beteiligte zu 1) die Wahl angefochten und deren Unwirksamkeit geltend gemacht. Er hat dazu vorgetragen, der Wahlvorstand habe eine zu hohe Zahl von Wahlberechtigten angenommen, wodurch eine unrichtige Zahl von Betriebsratsmitgliedern gewählt wurde. Denn weder die Honorarkräfte noch die ABM-Beschäftigten (mit Ausnahme von fünf mit pädagogischen Aufgaben betrauten) seien wahlberechtigt gewesen. Honorarkräfte seien keine Arbeitnehmer, weil sie nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Betriebsinhaber stünden, und die Teilnehmer an den Beschäftigungsmaßnahmen seien nicht wahlberechtigt, weil sie nicht in die Betriebsorganisation eingegliedert seien, denn sie würden nicht zur Erfüllung der arbeitstechnischen Zwecksetzung des Betriebs tätig, sondern seien selbst Gegenstand des Betriebszwecks.
Der Beteiligte zu 1) hat beantragt,
festzustellen, dass die in der Zeit vom 23. bis 28. Mai 2002 durchgeführte Betriebsratswahl im Verbund Bildungszentrum Berlin rechtsunwirksam ist.
Der Beteiligte zu 2) hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Der Beteiligte zu 2) hat sich auf den Standpunkt gestellt, die ausgewählten Honorarkräfte seien ebenso wie die ABM-Kräfte tatsächlich Arbeitnehmer und seien daher als wahlberechtigt anzusehen.
Durch Beschluss vom 13. September 2002 hat das Arbeitsgericht die Betriebsratswahl für unwirksam erklärt und dies zusammengefasst damit begründet, dass die Beschäftigten des zweiten Arbeitsmarktes zu Unrecht als wahlberechtigt angesehe...