Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütung der Arbeitsleitung durch Höhergruppierung eines Beschäftigten als Verwaltungsfachangestellter
Leitsatz (amtlich)
Einzelfallbezogene Eingruppierung einer Sachbearbeiterin im Bereich Hilfe zum Lebensunterhalt (HLU) und Grundsicherung.
Leitsatz (redaktionell)
1. Soweit im Rahmen der Eingruppierung in eine Entgeltgruppe gründliche, umfassende Fachkenntnisse gegenüber den in der vorangegangenen Vergütungsgruppe geforderten gründlichen und vielseitigen Fachkenntnissen eine Steigerung der Tiefe und Breite nach bedeuten, kann aus der Breite des benötigten Fachwissens nach wie vor auch auf dessen Vertiefung geschlossen werden.
2. Fallen im Rahmen eines einheitlichen Arbeitsvorgangs Tätigkeiten an, die gründliche, umfassende Fachkenntnisse erfordern, und umfasst der maßgebende Arbeitsvorgang zeitlich mindestens die Hälfte der Arbeitszeit, reicht es aus, wenn die Heraushebungsmerkmale in rechtserheblichem Ausmaß anfallen. Der erforderliche zeitliche Anteil bezieht sich nur auf den Arbeitsvorgang, nicht auf die einzelnen Arbeitsleistungen oder Einzeltätigkeiten.
3. Ausgehend von der sogenannten Normalverantwortung eines Beschäftigten für die sachgerechte, pünktliche und vorschriftsgemäße Erledigung seiner Aufgaben erfordert das Tätigkeitsmerkmal der besonderen Verantwortung eine herausgehobene besondere Verantwortung. Zum Nachweis einer solchen muss der Tatsachenvortrag des im Eingruppierungsprozess für die Erfüllung der Voraussetzungen höherer Vergütungsgruppen darlegungspflichtigen Arbeitnehmers erkennen lassen, dass und warum sich die fragliche Tätigkeit von einer bestimmten mit der Ausgangsfallgruppe erfassten Tätigkeit heraushebt. Der Normaltätigkeit ist dabei die Tätigkeit mit der beanspruchten gesteigerten Verantwortung gegenüber zu stellen, wobei sich der Grad der Verantwortung dabei regelmäßig als gewichtig bzw. beträchtlich erhöht darstellen muss.
Normenkette
TVöD-VKA § 12; TVöD-VKA § 12 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Hildesheim (Entscheidung vom 27.04.2023; Aktenzeichen 3 Ca 77/22 E) |
ArbG Lingen (Entscheidung vom 15.08.2023; Aktenzeichen 4 Ca 71/23) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hildesheim vom 27.04.2023, 3 Ca 77/22 E teilweise abgeändert und
- festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Arbeitsleistung der Klägerin ab dem 01.03.2020 nach Entgeltgruppe 9b TVöD-VKA zu vergüten,
festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die Differenz zwischen der erhaltenen Vergütung und der Vergütung nach Entgeltgruppe 9 b TVöD-VKA ab dem 01.03.2020 zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über Basiszinssatz ab Fälligkeit nachzuzahlen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben die Parteien je zur Hälfte zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Eingruppierung der Klägerin in Entgeltgruppe 9c TVöD-VKA.
Die Klägerin ist seit 01.09.2003 auf Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 18.08.2003 bei der Beklagten als Verwaltungsfachangestellte beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme der TVöD-VKA Anwendung.
Seit 12.11.2007 wird die Klägerin als Sachbearbeiterin Hilfe zum Lebensunterhalt (HLU)/Grundsicherung eingesetzt. Die Sachbearbeitung umfasst Grundsicherungsleistungen bei voller Erwerbsminderung im Alter und Hilfe zum Lebensunterhalt nach SGB XII.
Der Fachbereich 50.4, indem die Klägerin beschäftigt ist, wurde zum 01.08.2020 begründet.
Aufgrund der Stellenbewertung vom 28.05.2021 wurde die Klägerin rückwirkend zum 01.03.2020 in die Entgeltgruppe 9 a TVöD-VKA eingruppiert. Zuvor hatte sie die Höhergruppierung beantragt. Die Aufgabenübertragung gemäß Stellenbeschreibung erfolgte zum 01.03.2020. Mit Schreiben vom 27.09.2021 stellte die Klägerin erneut einen Stellenbewertungsantrag nach EG 9c TVöD, den die Beklagte ablehnte.
Mit am 01.03.2022 beim Arbeitsgericht eingegangene Klage begehrt die Klägerin Eingruppierung in die Entgeltgruppe 9c TVöD-VKA und Zahlung der Vergütungsdifferenz.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass ihre Tätigkeit gründliche und umfassende Fachkenntnisse erfordere. Die von ihr jederzeit bereitzuhaltenden Fachkenntnisse seien gegenüber gründlichen und vielseitigen Fachkenntnissen der Tiefe und der Breite nach gesteigert. Hierzu bezieht sie sich auf die Stellenbewertung vom 28.05.2021 und die dort aufgeführten von ihr anzuwendenden Gesetze nebst Durchführungsverordnungen. Für die Stellenbewertung wird auf Bl. 11 bis 16 d. A. Bezug genommen. Ein Vergleich mit der Stellenbeschreibung für die Sachbearbeitung im Bereich der Bewilligung von Wohngeld, welche ebenfalls mit der Eingruppierung nach EG 9a TVöD-VKA bewertet sei, zeige, dass sie eine deutlich gesteigerte Breite an Fachkenntnissen gegenüber dieser Sachbearbeitung vorhalten müsse. Der Umfang ihrer Fachkenntnisse sei nach ihrer Auffassung mit dem Umfang der Fachkenntnisse für die Sachbearbeitung im Bereich Hi...