Entscheidungsstichwort (Thema)

Freistellung des Arbeitnehmers von Rückforderungen des Jobcenters. Schadensersatzklage des Arbeitnehmers bei verspäteter Lohnzahlung der Arbeitgeberin

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Haben die Vertragsparteien keine Regelungen zum Zeitpunkt der der Lohnzahlung getroffen, gilt die gesetzliche Bestimmung des § 614 BGB; danach ist mit Eintritt des Verzuges zum jeweils Ersten des Folgemonats nach Entrichtung der Leistungen auszugehen.

2. Die Arbeitgeberin schuldet die pünktliche Zahlung des vom Arbeitnehmer verdienten Lohns, auf den sich der Arbeitnehmer verlassen und seine Lebensführung entsprechend ausrichten darf; die Arbeitgeberin hat dafür Sorge zu tragen, dass sie den Lohn rechtzeitig bezahlen kann.

3. Bei der Geltendmachung eines Verzögerungsschadens ist der Arbeitnehmer gemäß § 249 Abs. 1 BGB so zu stellen, wie er bei rechtzeitiger Leistung der Arbeitgeberin stehen würde; zwischen dem Verzug und dem Schaden muss ein Ursachenzusammenhang bestehen.

4. Der Verzug der Arbeitgeberin kann bei entsprechender Disposition des Arbeitnehmers dazu führen, dass dieser seinen eigenen Lebensunterhalt nicht mehr sichern kann und daher Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Anspruch nehmen muss; das ist ein nicht vollkommen ungewöhnlicher oder unwahrscheinlicher Geschehensablauf.

 

Normenkette

BGB § 280 Abs. 1 S. 2, Abs. 2, § 286 Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 4, §§ 614, 249 Abs. 1; SGB II §§ 11, 2 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Dessau (Entscheidung vom 02.12.2014; Aktenzeichen 6 Ca 80/14)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 17.01.2018; Aktenzeichen 5 AZR 205/17)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dessau-Roßlau vom 2.12.2014 - 6 Ca 80/14 wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten im Wege des Schadenersatzes wegen verspäteter Lohnzahlung die Freistellung von der durch das Jobcenter Landkreis W. geltend gemachten Rückforderung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für den Zeitraum 1. bis 31.7.2014.

Der im Jahr ... geborene alleinlebende Kläger war bei der Beklagten auf der Grundlage des befristeten Arbeitsvertrages vom 1.12.2013 in der Zeit vom 1.12.2013 bis 31.5.2014 als Hausarbeiter beschäftigt. Die Beklagte betreibt einen Gebäudeservice. Das monatliche Bruttoarbeitsentgelt des Klägers betrug 1.300,00 €, dies entsprach einem Nettoeinkommen von €.

In § 1 'Beginn und Beendigung des Arbeitsverhältnisses' befand sich im Arbeitsvertrag der Parteien vom 1.12.2013 (Blatt 11 ff. der Akte) u.a. die folgende Bestimmung:

"5. Der Arbeitsnehmer ist verpflichtet, an den Arbeitsgeber eine Vertragsstrafe in Höhe von zwei Bruttowochenlöhnen zu zahlen, wenn er:

......"

Zum Arbeitsentgelt regelte § 6 des Arbeitsvertrages:

"Die Höhe des Arbeitsentgeltes regelt sich nach den jeweilig geltenden betrieblichen und ortsüblichen Festlegungen."

Unter § 9 'Sonstige Bestimmungen' enthielt der Arbeitsvertrag zusätzlich u.a. folgende Regelungen:

"Nebenabreden und Änderungen des Vertrages bedürfen der Schriftform.

Im übrigen werden die einschlägigen örtlichen und betrieblichen Bestimmungen Gegenstand des Arbeitsvertrages.

Der Arbeitnehmer hat über Lohn, Urlaub und betriebliche Regelungen keinerlei Auskünfte an Dritte zu geben.

Zuwiderhandlungen können zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses führen."

Die Beklagte zahlte den Lohn des Klägers für den Monat April 2014 an den Kläger am 10.6.2014 und den Lohn für den Monat Mai 2014 in Höhe von je 986,81 € netto am 14.7.2014. Die seitens des Klägers wegen der verspäteten Lohnzahlung beim Arbeitsgericht Dessau-Roßlau unter dem Aktenzeichen 3 Ca 69/14 gegen die Beklagte erhobene Klage nahm der Kläger nach Eingang der Zahlung zurück. Die für die dem Monat April 2014 vorangegangenen Monate fälligen Löhne hatte die Beklagte jeweils im Folgemonat an den Kläger ausgezahlt.

Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des Mai 2014 beantragte der Kläger am 2.6.2014 bei dem für ihn zuständigen Jobcenter Landkreis W. Leistungen nach dem SGB II. Mit Bewilligungsbescheid vom 10.7.2014 (Blatt 21 ff. der Akte) bewilligte das Jobcenter Landkreis W. dem Kläger für die Zeit vom 1.7.2014 bis 30.11.2014 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 611,06 € monatlich, bestehend aus dem Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 391,00 € und dem Bedarf für Unterkunft und Heizung in Höhe von 220,06 €.

Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 24.7.2014 (Blatt 15 ff. der Akte) hob das Jobcenter Landkreis W. die Bewilligung der Leistungen für Juli 2014 (1.7.2014 bis 31.7.2014) überwiegend auf und forderte den Kläger zur Erstattung einer Gesamtforderung in Höhe von 535,32 € auf. Zur Begründung wies das Jobcenter darauf hin, dass der Kläger während des genannten Zeitraums Einkommen aus der Zahlung des Lohnes für Mai 2014 vom Arbeitgeber D. (Beklagte) erzielt...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Kranken- und Pflegeversicherungs Office enthalten. Sie wollen mehr?