REVISION ZUGELASSEN JA
Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfeempfänger. Heranziehung zur Arbeit. Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nicht gegeben. Verwaltungsrechtsweg
Leitsatz (amtlich)
Für die Klage eines Sozialhilfe-Empfängers, dem die Sozialbehörde mit bestandskräftigem Heranziehungsbescheid eine „gemeinnützige und zusätzliche” Arbeit nach § 19 BSHG unter Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt und einer Mehraufwandsentschädigung zugewiesen hat, auf Bestehen eines „Arbeitsverhältnisses” ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nicht gegeben.
Normenkette
ArbGG § 48a; BSHG § 19
Verfahrensgang
ArbG Lübeck (Urteil vom 28.05.1986; Aktenzeichen 4b Ca 1008/86) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 28. Mai 1986 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz genießt, ferner, ob die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger Gehalt über den 11. April 1986 hinaus zu zahlen.
Für den Sach- und Streitstand in erster Instanz wird gemäß § 543 ZPO auf das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 28. Mai 1986 nebst seinen Verweisungen Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, daß das KSchG nur anwendbar sei, wenn ein privatrechtlicher Arbeitsvertrag vorliege, den die Parteien jedoch nicht abgeschlossen hätten. Der Kläger sei vielmehr aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften, nämlich § 19 Abs. 2 BSHG zur Tätigkeit im Tiefbauamt der Beklagten herangezogen worden.
Gegen dieses ihm am 21. Juni 1986 zugestellte Urteil hat der Kläger am 01. Juli 1986 Berufung eingelegt und diese am 01. August 1986 begründet.
Der Kläger trägt vor: Auszugehen sei davon, daß der Kläger, der Fachmann für die technische Anwendung der Elektronik sei, seine Tätigkeit im Tiefbauamt der Beklagten im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses geleistet habe, zumal seine Arbeit weder gemeinnützig noch zusätzlich gewesen sei. Der Kläger habe vielmehr einen leeren Arbeitsplatz der Beklagten vollständig ausgefüllt. Für das Bestehen eines Arbeitsvertrages zwischen den Parteien spreche auch die unverhältnismäßig lange Dauer der geleisteten Arbeit, nämlich knapp 1 1/2 Jahre. In dem fraglichen Zeitraum habe die Beklagte dem Kläger tariflichen Urlaub, Feiertagsbezahlung sowie Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle geleistet, was auch dafür spreche, daß ein reguläres Arbeitsverhältnis bestanden habe. Da die Parteien sich wie in einem förmlichen Arbeitsverhältnis aufgeführt hätten, sei es unerheblich, daß ein förmlicher Arbeitsvertrag nicht abgeschlossen worden sei. Das Tiefbauamt der Beklagten habe im übrigen mit Schreiben vom 18. September 1985 an das Sozialamt den schnellstmöglichen Abschluß eines Arbeitsvertrages befürwortet. Zu beachten sei auch das Schreiben der Beklagten an den Kläger vom 08. April 1986, in dem der Wunsch der Beklagten zum Ausdruck komme, die Arbeitsleistung des Klägers mit einem anderen Etikett zu versehen. Die rechtliche Einengung der Arbeit des Klägers auf § 19 BSHG sei rechtsirrig. Zwischen den Parteien habe von Anfang an ein Arbeitsverhältnis vorgelegen, weil nämlich der Kläger im Verwaltungsbereich der Beklagten eine vollschichtige und weisungsgebundene Arbeit geleistet habe. Zu beachten sei, daß das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 10. Juli 1986, die zugunsten des Klägers ergangen sei, die Gemeinnützigkeit und Zusätzlichkeit der vom Kläger geleisteten Arbeit verneint habe.
Im übrigen habe sich das Tiefbauamt der Beklagten in seinem Tätigkeitsbericht für die Zeit von 1976 bis 1985 gerühmt, die 10-jährige Arbeit ohne zusätzliche Personalkosten, nämlich durch Heranziehung „zusätzlicher Hilfskräfte”, geschafft zu haben. Schließlich habe die Beklagte in zahlreichen Fällen weggefallener Arbeitsplätze mit Sozialhilfeempfängern besetzt.
Nach alledem habe der Kläger keine gemeinnützige und zusätzliche Arbeit geleistet, sondern vollschichtig bei der Bewältigung der regulären Verwaltungsaufgaben der Beklagten mitgearbeitet, so daß von der Existenz eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien auszugehen sei.
Der Kläger beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils nach den erstinstanzlichen Anträgen des Klägers zu erkennen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen und die Kosten dem Kläger aufzuerlegen.
Die Beklagte trägt vor: Die Klage hätte im erstinstanzlichen Urteil als unzulässig abgewiesen werden müssen, weil die Arbeitsgerichte nicht zuständig seien. Der Kläger habe sich zu der Beklagten weder in einem Arbeitsverhältnis noch in einem faktischen Arbeitsverhältnis befunden, sondern allenfalls in einem öffentlich-rechtlichen faktischen Beschäftigungsverhältnis, für dessen rechtliche Beurteilung der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten gegeben sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens im Berufungsrechtszuge wird...