Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsätzliche Unzulässigkeit einer Normenfeststellungsklage im sozialgerichtlichen Verfahren
Orientierungssatz
Eine Klage, die darauf gerichtet ist, vom konkreten Einzelfall losgelöst Gesetze und untergesetzliche Normen zu überprüfen, ist unzulässig. Das SGG sieht Rechtschutz in Form der Normenkontrolle nicht ausdrücklich vor. Nur im Ausnahmefall, in dem der Betroffene ansonsten keinen effektiven Rechtschutz erreichen kann, ist eine Feststellungsklage gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG als Normenfeststellungsklage zulässig (BSG Urteil vom 31. 5. 2006, B 6 KA 13/05 R).
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 08.08.2018 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt mit seiner am 19.02.2018 beim Sozialgericht Ulm (SG) erhobenen Klage "gegen das Gesundheitswesen" die Änderung der geltenden gesetzlichen Bestimmungen mit dem Ziel, für Sozialhilfeempfänger die zuzahlungsfreie Versorgung mit Arzneimitteln, zuzahlungsfreie Versorgung mit Augengläsern in regelmäßigen Abständen und halbjährliche zuzahlungsfreie Zahnreinigung zu erreichen.
Die Beklagte, bei der der Kläger gesetzlich krankenversichert ist, ist der Klage entgegengetreten.
Mit Urteil vom 08.08.2018 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klage sei bereits unzulässig, soweit der Kläger für Sozialhilfeempfänger oder ganz allgemein Forderungen aufstelle. Eine Verletzung in eigenen Rechten scheide insoweit aus. Im Übrigen sei die Klage als echte Leistungsklage zulässig. Dass Verwaltungsakte fehlten, stünde der Zulässigkeit nicht entgegen, weil der Kläger Leistungen für die Zukunft begehre. Es sei nur dem Grunde nach über eine Leistungspflicht der Beklagten zu entscheiden. Die Klage sei jedoch unbegründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf zuzahlungspflichtige Versorgung mit Arzneimitteln. Nach § 31 Abs. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) müssten Versicherte, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, an die abgebende Stelle zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordneten Arznei- und Verbandmittel als Zuzahlung den sich aus § 61 Satz 1 SGB V ergebenden Betrag leisten. Um die finanzielle Zumutbarkeit sicherzustellen, sehe § 62 SGB V Zuzahlungen nur bis zu einer Belastungsgrenze vor. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf eine zuzahlungspflichtige Versorgung mit Augengläsern in regelmäßigen Abständen. Ein Anspruch auf Versorgung mit Augengläsern bestünde nur unter den Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 SGB V in Verbindung mit den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) nach § 92 SGB V. Schließlich habe der Kläger auch keinen Anspruch auf Zahnreinigung zweimal jährlich. Den Anspruch auf eine ausreichende und zweckmäßige Zahnbehandlung im Sinne von § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB V konkretisierten die Richtlinien des GBA nach § 92 SGB V. Danach gehörten zur vertragszahnärztlichen Versorgung auch das Entfernen von harten verkalkten Belägen. Aus dem Gebührenverzeichnis für zahnärztliche Leistungen (Bema-Z) ergebe sich, dass das Entfernen harter Zahnbeläge nur einmal pro Jahr abrechnungsfähig sei. Ein darüber hinaus gehender Anspruch stehe dem Kläger nicht zu.
Gegen das ihm am 23.08.2018 zugestellte Urteil des SG hat der Kläger am 24.08.2018 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, die gesetzlichen Bestimmungen seien durch höchstrichterliche Entscheidung in seinem Sinne reformbedürftig.
Der Kläger beantragt sachdienlich ausgelegt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 08.08.2018 aufzuheben und festzustellen, dass die geltenden gesetzlichen Bestimmungen rechtswidrig sind, soweit Sozialhilfeempfänger keinen Anspruch auf eine zuzahlungsfreie Versorgung mit Arzneimitteln, zuzahlungsfreie Versorgung mit Augengläsern in regelmäßigen Abständen und halbjährliche zuzahlungsfreie Zahnreinigung haben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG für zutreffend.
Mit Schreiben vom 18.11.2019 sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass der Senat beabsichtigt, nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss zu entscheiden. Ihnen wurde Gelegenheit eingeräumt, sich hierzu zu äußern. Der Kläger hat hiervon Gebrauch gemacht und ausgeführt, er halte seine Berufung für begründet. Die Bestimmungen seien zu seinen Gunsten reformbedürftig. Bei Gericht könne er nicht erscheinen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, insb. des Vorbringens der Beteiligten, wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die bei der Beklagten für den Kläger geführte Verwaltungsakte, die Gegenstand der Entscheidungsfindung geworden sind, verwiesen.
II.
Der Senat konnte die Berufung des Klägers nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss zurückweisen, da er sie einstimmig für unbeg...