Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialrecht. Verzinsung von Geldleistungsansprüchen. konkludente Ablehnung der Zinszahlung im Überprüfungsbescheid nach § 44 SGB 10. Fälligkeit der Geldleistungsansprüche
Orientierungssatz
Jedenfalls in Konstellationen, in denen ein Leistungsberechtigter allein wegen des Zeitablaufs mit einer Entscheidung über die Zinsen rechnen kann und der Bescheid keinen Hinweis auf eine gesonderte Entscheidung über die Zinsen oder sonstige Hinweise darauf enthält, dass es sich nur um eine Teilentscheidung handelt, die die Frage der Zinsen offen lässt, gilt - anders als bei einer unterbliebenen Kostenentscheidung - die Vermutung, dass über das Begehren vollständig entschieden wurde (vgl LSG Darmstadt vom 11.10.2017 - L 4 SO 169/16 = ZFSH/SGB 2018, 162).
Leitsatz (amtlich)
Ein Nachzahlungsanspruch ist nach § 44 Abs 1 SGB I erst mit Erlass des Zugunstenbescheides nach § 44 SGB X zu verzinsen, da dieser Anspruch erst zu diesem Zeitpunkt entstanden und damit auch erst zu diesem Zeitpunkt fällig geworden ist.
Normenkette
SGB I § 44 Abs. 1, §§ 11, 41 Abs. 1; SGB X § 44 Abs. 4 S. 1; SGG § 77
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 26. Juni 2019 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens gem. § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) die Verzinsung eines Nachzahlungsanspruchs.
Mit Bescheid vom 26. Juni 2015 hatte der Beklagte der Klägerin Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung gemäß § 42 i. V. m. § 35 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) für den Zeitraum 1. August 2015 bis 31. Juli 2016 bewilligt; die Bewilligung erfolgte dabei nicht in Höhe der tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung. Am 6. Oktober 2015 beantragte die Klägerin eine Überprüfung dieses Bewilligungsbescheides. Mit Bescheid vom 19. Oktober 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Juni 2016 lehnte der Beklagte den Überprüfungsantrag ab.
Mit rechtskräftigem Urteil vom 28. Juni 2018 (Aktenzeichen: S 2 SO 1817/16) verurteilte das Sozialgericht Mannheim (SG) den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 19. Oktober 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Juni 2016, den Bescheid vom 26. Juni 2015 gegenüber der Klägerin teilweise zurückzunehmen und ihr für den Zeitraum vom 1. August 2015 bis 31. Juli 2016 anteilig die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung zu gewähren.
Mit Bescheid vom 25. Juli 2018 nahm der Beklagte in Ausführung des Urteils des SG vom 28. Juni 2018 den Bescheid vom 26. Juni 2015 mit Wirkung vom 1. August 2015 bis 31. Juli 2016 zugunsten der Klägerin teilweise zurück und stellte einen höheren Leistungsanspruch für diesen Zeitraum in Höhe von 1380,- € fest. Die Auszahlung des Nachzahlungsbetrages erfolgte am 30. Juli 2018.
Gegen den Bescheid vom 25. Juli 2018 erhob die Klägerin am 6. August 2018 Widerspruch und begehrte eine Verzinsung der nachträglich bewilligten Leistungen. Mit Widerspruchsbescheid vom 15. März 2019 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte er aus, der Anspruch auf Nachzahlung in Höhe von 1380,- € sei erst mit Urteil des SG vom 28. Juni 2018 fällig geworden. Die Auszahlung sei am 30. Juli 2018 erfolgt. Die in § 44 SGB I genannten Fristen seien somit alle eingehalten.
Mit ihrer am 18. März 2019 beim SG erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Verzinsungsbegehren weiterverfolgt und ausgeführt, ausgehend vom Antrag am 25. Juni 2015 beginne unter Berücksichtigung der Regelung des § 44 Abs. 2 SGB I die Verzinsung mit Beginn des Monats Januar 2016, da die Leistungen spätestens ab dem 1. Januar 2016 fällig gewesen seien.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Im Urteil des SG vom 28. Juni 2018 sei eine Verpflichtung zur Verzinsung der Nachzahlung für den streitigen Zeitraum nicht ausgesprochen worden. Deshalb habe auch nicht noch eine Verzinsung der Nachzahlung verbeschieden werden müssen. Der Eintritt der Fälligkeit gemäß § 44 SGB I sei vorliegend der 4. Juli 2018 als Tag des Zugangs des Urteils vom 28. Juni 2018 beim Beklagten. Nach § 44 Abs. 1 SGB I ende die Zinspflicht mit Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung. In Umsetzung des am 4. Juli 2018 zugegangenen Urteils vom 28. Juni 2018 sei am 30. Juli 2018 eine Auszahlung der Nachzahlung in Höhe von 1.380,00 € an die Klägerin erfolgt. Selbst wenn das Urteil vom 28. Juni 2018 den Beklagten zur Verzinsung der Nachzahlung verpflichtet hätte, hätte ein Anspruch auf Verzinsung nicht bestanden, da bereits im Verlauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt der Fälligkeit eine Auszahlung erfolgt sei und somit eine Zinspflicht des Beklagten gar nicht begonnen hätte und entstanden wäre.
Mit Urteil vom 26. Juni 2019 hat das SG die Beklagte antragsgemäß verurteilt, unter Abänderung des Bescheids vom 25. Juli 2018 in der Gestalt des Widerspruchsb...