Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. zahnmedizinische Verwaltungsassistentin. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit. Abgrenzung
Leitsatz (amtlich)
Zur selbständigen Tätigkeit einer zahnmedizinischen Verwaltungsassistentin.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 16. November 2015 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Bescheid der Beklagten vom 15. April 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. November 2014 aufgehoben wird.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Klägerin und der Beigeladenen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf € 5.000,00 festgesetzt.
Tatbestand
Der Rechtsstreit betrifft die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status der Tätigkeit der Beigeladenen für die Klägerin.
Die Klägerin ist niedergelassene Zahnärztin. Die Beigeladene ist geprüfte zahnmedizinische Verwaltungsassistentin. Sie hat an ihrem Wohnsitz unter der Firma “Zahnmedizinische Praxisverwaltung I. D.„ ein der Bezeichnung entsprechendes Gewerbe angemeldet und ein Büro eingerichtet. Sie übernimmt Praxisverwaltungstätigkeiten für sechs Zahnarztpraxen. Zur Ausübung dieser Tätigkeit verfügt sie über ein Auto, einen Laptop, ein Mobiltelefon und eigenes Briefpapier. Seit dem 23. April 2012 ist die Beigeladene aufgrund eines mündlich geschlossenen Vertrages für die Klägerin tätig. Sie stellt der Klägerin ihre Tätigkeit jeweils monatlich aufgeschlüsselt nach geleisteten Zeitstunden zu einem Stundenhonorar von € 40,00 (ab 2015 € 50,00) zzgl. Mehrwertsteuer in Rechnung.
Unter dem 17. Januar 2014 beantragte die Beigeladene bei der Beklagten die Feststellung ihres sozialversicherungsrechtlichen Status. Sie beantragte, die Feststellung, dass eine Beschäftigung nicht vorliege. Die Klägerin beantragte ebenfalls die Feststellung, dass eine Beschäftigung nicht vorliege. Die Beigeladene gab zu ihrer Tätigkeit an, dass diese in der Durchführung und Optimierung der Abrechnung, des Praxismanagements, von Schulungsangeboten für Praxisinhaber und Personal sowie als zertifizierte Hotline-Person für die Software Z1 Compugroup bestehe. Sie sei selbständig. Lediglich Details zu den Abrechnungen würden besprochen. Sie könne sich ihre Zeit sowohl innerhalb als auch außerhalb der Praxissprechzeiten frei einteilen. Sie sei in den Mittagspausenregelung frei. Urlaub und Krankheitsausfall würden nicht bezahlt. Tätigkeitsort sei in der Regel die Praxis des Auftraggebers. Auf Grund der ärztlichen Schweigepflicht würden die Daten nicht außer Haus gegeben. Sie nehme an Teambesprechungen nicht teil. Sie trage keine Dienstkleidung. Schulungsmaßnahmen würden von ihr selbst ausgewählt und bezahlt. Werbung erfolge hauptsächlich über Mundpropaganda. Bei Anfragen verschicke sie ein Exposé. Sie habe derzeit genug Aufträge, so dass keine weiteren Maßnahmen ergriffen würden. Sie setze den eigenen Personenkraftwagen ein. Es bestünden keine längerfristigen Verträge. Der Auftrag könne quasi von heute auf morgen beendet werden.
Auf Anfrage der Beklagten teilten die Klägerin und die Beigeladenen im Wesentlichen übereinstimmend mit, dass die Beigeladene seit dem 23. April 2012 für sie arbeite. Es gebe keine schriftlichen Verträge. Die Beigeladene komme meistens an zwei Tagen in der Woche bei freier Zeiteinteilung. Sie erstelle selbständig Kostenpläne, mache Abrechnungen, Kontrollarbeiten sowie die Rechnungstellung an Patienten. Es werde ihr ein Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt. Die Beigeladene nutze das Praxisabrechnungsprogramm. Eine Kostenbeteiligung der Beigeladenen erfolge nicht. Die Beigeladene erhalte die Unterlagen von den Patienten, damit sie die Kostenpläne und Abrechnungen erstellen könne. Sie erhalte von der Klägerin keine Vorgaben. Im Falle der Verhinderung oder Krankheit informiere die Beigeladene die Klägerin, hierzu bestehe aber keine Verpflichtung, da sich die Beigeladene die Zeit frei einteile. Die Beigeladene nutze ihre eigenen Fachbücher, Abrechnungshilfen, besuche Fortbildungen auf eigene Kosten und Eigeninitiative. Sie erteile ihr keine Weisungen. Die Beigeladene unterstehe der Schweigepflicht bezüglich der Patientendaten. Die Beigeladene arbeite mit den Angestellten der Klägerin nicht zusammen. Manchmal gebe es Korrekturen seitens der Beigeladenen in Bezug auf die Abrechnung. Nach Beendigung der Arbeit informiere die Beigeladene die Klägerin. Die Beigeladene könne Aufträge ablehnen. Die Beigeladene trete in eigenem Namen auf.
Mit Schreiben vom 14. März 2014 kündigte die Beklagte gegenüber der Klägerin und der Beigeladenen die Absicht an, einen Bescheid über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung und die Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung ab dem 23. April 2012 zu treffen. In der Krankenversicherung bestünde keine Versicherungspflicht. In der Pflegeversicherung bestünde keine Versicherungspfl...