Entscheidungsstichwort (Thema)
Unfallversicherungsschutz. arbeitnehmerähnliche Tätigkeit. Schneeräumdienst für andere Mitmieterin. keine Aufforderung. mietvertragliche Verpflichtung der Mieter. Handlungstendenz. wie eine Unternehmerin. Abgrenzung zur gemeinen Gefahr iS von § 2 Abs 1 Nr 13 Buchst a SGB 7
Orientierungssatz
1. Eine Mieterin, die beim unaufgeforderten Schneeräumen für eine andere Mitmieterin, die laut Mietvertrag und ergänzender Hausordnung für den Räum- und Streudienst zuständig war, stürzt, steht nicht gemäß § 2 Abs 2 S 1 iVm § 2 Abs 1 Nr 1 SGB 7 unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
2. Bereits der allgemeine Sprachgebrauch schließt es aus, normalen Schneefall (jedenfalls im Februar) als Unglücksfall oder gemeine Gefahr oder Not iS von § 2 Abs 1 Nr 13 Buchst a SGB 7 anzusehen. Dass dabei immer die Möglichkeit besteht, dass jemand ausrutscht oder mit seinem Fahrzeug ins Rutschen gerät und sich dabei Verletzungen zuzieht, rechtfertigt nicht die Annahme der nahe liegenden Möglichkeit eines Körperschadens.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 23. Juli 2002 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin wegen der Folgen des Unfalls vom 18.02.1999 Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung hat.
Die 1947 geborene Klägerin bewohnt in einem Mietshaus mit insgesamt drei Parteien die Erdgeschosswohnung, die Vermieterin wohnt nicht im Haus. Nach dem Mietvertrag (§ 23 Ziff. 3) und den ergänzenden Regelungen der Hausordnung sind die Mieter im wöchentlichen Wechsel verpflichtet, unter anderem Schnee und Eis vom Bürgersteig, vom Hauseingang und der Hauseingangstreppe sowie durch Schnee oder Eis entstandene Glätte durch Aufstreuen von Sand, Salz oder anderen geeigneten Mitteln zu beseitigen.
Am 18.02.1999, als eigentlich die Mieterin der Dachgeschosswohnung, Frau C G (G.), für den Räum- und Streudienst zuständig war, stürzte die Klägerin gegen 10:00 Uhr beim Schneeräumen und zog sich eine distale Radiusfraktur links mit Gelenkbeteiligung zu (vgl. Entlassbrief der Orthopädischen Klinik des Klinikums der Stadt Villingen-Schwenningen vom 05.03.1999). Gegenüber der Barmer Ersatzkasse (BEK), die der Klägerin ab 01.04.1999 bis mindestens 27.01.2000 Krankengeld gewährte, gab die Klägerin an, der Unfall habe sich bei einer Hilfeleistung/Gefälligkeit für G., die ihren Räum- und Streudienst nicht erfüllt habe, ereignet (Fragebogen vom 27.02.1999). Die BEK meldete daraufhin am 15.03.1999 bei der Beklagten ihren Ersatzanspruch an und bat um Prüfung, ob das Ereignis als Arbeitsunfall anerkannt werde. Auf Anfrage der Beklagten teilte die Klägerin mit (Schreiben vom 12.08.1999 und 04.01.2000), sie sei von niemandem zum Schneeschippen aufgefordert worden und habe hierfür auch kein Entgelt bekommen. Sie sei nicht öfters für G. tätig geworden, auch nicht auf Gegenseitigkeit. Sie habe vielmehr aus eigenem Antrieb mit Schneeräumen begonnen, um zu verhindern, dass jemand auf dem Gehweg stürze. Ihre Tätigkeit habe somit der Abwehr einer gemeinen Gefahr gedient. Sie selbst wäre erst in der folgenden Woche wieder mit Räum- und Streudienst an der Reihe gewesen. G. sei am Unfalltag erst nach 10:00 Uhr erschienen, als sie bereits gestürzt gewesen sei. Sie habe zuvor bereits um 7:00 Uhr erstmals Schnee geschippt. Eine Vertretungsregelung bezüglich der Räumpflicht gebe es nicht. Es habe auch kein freundschaftliches Verhältnis zwischen ihr und G. bestanden.
G. bestätigte gegenüber der Beklagten, dass sie mit der Klägerin für den 18.02.99 hinsichtlich des Räum- und Streudienstes keine Absprache getroffen und sie auch nicht gebeten habe, den Räum- und Streudienst für sie zu übernehmen. Sie sei damals gerade nach Konstanz umgezogen. Die Klägerin habe Ihre Telefonnummer gehabt und habe sie anrufen wollen, falls es schneien sollte. Dies habe sie nicht getan. Auf die Frage, ob die Klägerin des Öfteren für G. Tätigkeiten durchgeführt und diese Hilfe auf Gegenseitigkeit beruht habe, gab G. an, die Klägerin habe dies immer nach Lust und Laune getan; Absprachen habe es keine gegeben (Angaben vom 17.07.2000).
Die Vermieterin teilte auf Anfrage der Beklagten mit, dass am 18.02.1999 nach der Hausordnung definitiv G. für den Räum- und Streudienst zuständig gewesen sei. Diese habe jedoch mit der Klägerin eine eindeutige und von beiden Seiten einvernehmliche Regelung getroffen bezüglich eines Telefonats bei Wetterwechsel.
Mit Bescheid vom 24.11.2000 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Das Ereignis stelle keinen Versicherungsfall im Sinne von § 8 i. V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. a) bzw. § 2 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) VII dar. Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch und machte geltend, sie habe di...