Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziale Pflegeversicherung. ambulanter Pflegedienst. Versorgungsvertrag. fristlose Kündigung. Abrechnung nicht erbrachter Leistungen. gröbliche Pflichtverletzung. Unzumutbarkeit
Leitsatz (amtlich)
Zur Kündigung eines Versorgungsvertrags eines ambulanten Pflegediensts bei Abrechnung nicht erbrachter Leistungen.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 10. Mai 2012 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Der Streitwert für beide Rechtszüge wird endgültig auf € 30.000,00 festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Kündigung des zwischen ihm und den Beklagten bestehenden Versorgungsvertrages.
Der 1948 geborene Kläger ist gelernter Krankenpfleger sowie Inhaber und Betreiber eines ambulanten Pflegedienstes (“Alten- und Krankenpflege„), mit welchem er unter anderem ambulante Pflegedienstleistungen für in der sozialen Pflegeversicherung Versicherte erbringt, welche zum Teil zu Hause, zum Teil in so genannten Wohngemeinschaften (insbesondere der Wohn- und Pflegegemeinschaft P.; im Folgenden Wohngemeinschaft P.) und zum Teil in sogenannten Pflegefamilien leben. Daneben erbringt der Kläger ambulante Pflegeleistungen an Privatzahler, Leistungen der häuslichen Krankenpflege, und zudem ist er gesetzlich bestellter Betreuer für einen Teil der Kunden seines Pflegedienstes und Mitglied im Verein “Familiäre Hilfe e.V.„ mit gleicher Anschrift wie der Pflegedienst. Der Pflegedienst hat fest angestellte Mitarbeiter und geringfügig beschäftigte Personen. Verantwortliche Pflegefachkraft des Pflegedienstes ist der Kläger selbst.
Die beklagten Landesverbände der Pflegekassen, teilweise deren Rechtsvorgängerinnen (im Folgenden einheitlich: die Beklagten) schlossen am 23. März 1999 mit dem Kläger einen “Versorgungsvertrag nach § 72 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI - Pflegesachleistung gemäß § 36 SGB XI)„ über die ambulante pflegerische Versorgung durch den Pflegedienst des Klägers als Leistungserbringer zu Lasten der Pflegekassen. Die Vergütung richtet sich gemäß § 8 des Versorgungsvertrages nach einer gesonderten Vergütungsvereinbarung zwischen den Vertragsparteien. Gemäß § 3 des Versorgungsvertrags sind die Regelungen des Rahmenvertrags über ambulante pflegerische Versorgung gemäß § 75 Abs. 2 SGB XI (im Folgenden Rahmenvertrag) in der jeweils gültigen Fassung Bestandteil des Versorgungsvertrages. Der Rahmenvertrag regelt insbesondere den Inhalt der ambulanten Pflegeleistungen (§ 1) und gibt Maßstäbe für die Qualität des Pflegedienstes (§§ 7 bis 9; § 17: Personelle Mindestausstattung eines Pflegedienstes, u.a.) sowie die Durchführung der Pflege (insbesondere § 10: Mitteilungen und Meldungen gegenüber den zuständigen Pflegekassen, § 11: Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit, § 12: Dokumentation der Pflege und § 13: Nachweis der Leistungen/Abrechnungen) vor. Anlage 1 zum Rahmenvertrag enthält die 18 Leistungspakete/Leistungsmodule im Rahmen der ambulanten Pflegeleistungen mit der Beschreibung der damit verbundenen Tätigkeiten. Die zwischen dem Kläger und den Beklagten geschlossenen Vergütungsvereinbarungen enthielten u.a. für jedes dieser Leistungspakete einen Vergütungssatz, der für die Erbringung der Leistungen durch eine Fachkraft, eine Ergänzende Hilfe oder einen Zivildienstleistenden unterschiedlich war.
Bereits im Jahr 2007 führte der Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) beim Kläger eine Qualitäts- und Rechnungsprüfung durch. Er beanstandete damals insbesondere, dass mehrere Arbeitsverträge nicht dem aktuellen Arbeitsumfang entsprachen, die Dienstpläne des Pflegedienstes nicht vollständig waren, die Pflegedokumentation nicht den Anforderungen entsprach (z.B. die Pflegeanamnese nur teilweise die erforderlichen Angaben zu Fähigkeitsstörungen, Ressourcen und Bedürfnissen enthielt, nicht für alle Pflegebedürftigen ein Pflegeplan erstellt war, die Pflegedokumentation nicht vollständig war) sowie die Rechnungsstellung nicht gemäß den Eintragungen im Leistungsnachweis erfolgt war, insbesondere die Eintragungen im Leistungsnachweis nicht mit den Eintragungen im Dienst- und Tourenplan identisch waren. Allerdings stellte er nicht fest, dass der Kläger gegenüber den Pflegekassen Rechnung über nicht erbrachte Leistungen gestellt hatte, so dass es zu einem Schaden zulasten der Pflegekassen nicht gekommen war. Mit dem Kläger waren deswegen am 15. Juli 2008 Maßnahmen zur Verbesserung besprochen worden.
I. P. (I.P.) vermietet in einem ehemaligen Gasthaus Zimmer an Pflegebedürftige, die ihr der Kläger vermittelt hatte. Mit diesen Pflegebedürftigen vereinbarte der Kläger, für sie Pflegeleistungen durch seinen Pflegedienst zu erbringen. Für diese Pflegebedürftigen rechnete der Kläger Pflegeleistungen gegenüber der jeweiligen Pflegekasse ab. Die Pflegeleistungen sollten durch Angehörige der Familie P., insbesondere durch D. P. (D.P.) un...