Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhausabrechnung. Kodierung der Prozeduren 5-794 und 5-785 OPS 2011 nebeneinander. keine Verletzung des Prinzips der monokausalen Kodierung. Implantation von alloplastischem Knochenersatz. kein üblicher und vorhersehbarer Teil einer offenen Reposition einer Mehrfragmentur. Atypik
Leitsatz (amtlich)
1. Das Prinzip der monokausalen Kodierung wird nicht verletzt, wenn das Krankenhaus die Prozeduren 5-794.kh und 5-785.3h OPS 2011 nebeneinander abrechnet. Insoweit handelt es sich um eine Kodierung mehrerer selbständiger Prozeduren.
2. Die Implantation von alloplastischem Knochenersatz (5-785) ist kein üblicher und vorhersehbarer Teil einer offenen Reposition einer Mehrfragmentur (5-794), sondern eine darüber hinausgehende, nicht vorhersehbare Maßnahme (sog Atypik).
Normenkette
SGB V § 301 Abs. 2, § 109 Abs. 4 S. 3, § 39; KHEntgG § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; KHG § 17b
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 26.01.2017 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.135,36 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer Krankenhausbehandlung und insbesondere, ob 2011 die OPS-Prozedur 5-785.3h neben der OPS-Prozedur 5-794.kh kodiert werden durfte.
Die Beklagte betreibt ein zugelassenes Krankenhaus im Sinne des § 108 SGB V. Dort wurde im Zeitraum vom 27.11.2011 bis 15.12.2011 der bei der Klägerin versicherte M. P., geb. 1939, (im Folgenden: Versicherter) wegen einer neben einer Kniegelenksendoprothese gelegenen Trümmerfraktur des körperfernen rechten Oberschenkels stationär behandelt. Bei der durchgeführten Operation (Osteosynthese) wurde die Defektzone des Knochens mit einem keramischen Knochenersatz (BoneSave) aufgefüllt.
Die Beklagte stellte der Klägerin unter dem 20.12.2011 einen Endbetrag iHv 11.539,40 € in Rechnung und berücksichtigte dabei DRG I08C (andere Eingriffe an Hüftgelenk und Femur mit Mehrfacheingriff, kompl. Proz. od. Diagnose, äußerst schw. CC od. bei Zerebralparese oder Ersatz des Hüftgelenkes mit Eingriff an oberer Extremität od. Wirbelsäule, Alter ≫ 15 Jahre od. bei Para-/Tetraplegie). Die Klägerin beglich die Rechnung zunächst.
Am 12.01.2012 leitete sie eine Überprüfung durch den Medizinischen Dienst des Bundeseisenbahnvermögens (MD-BEV) ein. Sie bat um Prüfung, ob die Kodierung von Diagnose und Therapie (OPS) plausibel ist. Die Hauptdiagnose und die zunächst streitigen Nebendiagnosen sind zwischen den Beteiligten zwischenzeitlich unstreitig. Dipl.-Med. H. vom MD-BEV führte in seinen gutachterlichen Stellungnahmen vom 21.06.2012 und 18.10.2012 ua aus, dass der Kode 5-785.3h (Implantation von alloplastischem Knochenersatz: Keramischer Knochenersatz, resorbierbar: Femur distal) mangels entsprechender Hinweise im OPS nicht zum Kode 5-794.kh (offene Reposition einer Mehrfragment-Fraktur im Gelenkbereich eines langen Röhrenknochens mit Osteosynthese: Durch winkelstabile Platte: Femur distal) angegeben werden könne. Darauf gestützt forderte die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 09.01.2013 zur Rechnungskorrektur auf. Ein Neu-Grouping der Behandlungsdaten führe zu einem Rechnungsergebnis von 6.606,91 €. Es sei die DRG I08E abzurechnen. Die Rechnung sei um 4.932,49 € zu berichtigen.
Die Beklagte korrigierte die Rechnung nicht. Daraufhin hat die Klägerin am 18.12.2015 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Auf Nachfrage hat sie mitgeteilt, dass sich die Klageforderung auf 5.135,36 € belaufe. Die Neuberechnung der abzurechnenden DRG I08E ergebe einen Betrag von 6.404,04 €.
Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens nach Aktenlage bei dem Chirurgen und Sozialmediziner Dr. S.. Dieser hat in seinem Gutachten vom 19.08.2016 ausgeführt, dass die Prozeduren 5.794kh:R und 5-785.3h:R nebeneinander kodierbar seien. Dies lasse sich auch den FAQs des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI), Herausgeber des OPS, entnehmen. Danach komme es darauf an, dass die Implantation von keramischen Knochenersatz keine Teilprozedur darstelle, die normalerweise zu einer Osteosynthese dazu gehöre bzw regelhaft Bestandteil des kodierten Eingriffes sei. Die Implantation von Knochenersatzmaterial werde nur selten - zB beim Vorhandensein einer ausgedehnten Trümmerzone - zusätzlich durchgeführt und sei deshalb auch zusätzlich zu kodieren.
Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 26.01.2017 hat das SG die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 5.135,36 € zuzüglich Zinsen iHv fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.12.2015 zu zahlen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Prozedur 5-785.3 nicht kodiert habe werden dürfen. Die Mehrfachkodierung sei nur unter engen Voraussetzungen möglich. Dies ergebe sich aus der Regelung P001f der Deutschen Kodierrichtlinien (DKR), wonach normalerweise eine Prozedur vollständig mit all...