Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. sachlicher Zusammenhang. objektivierte Handlungstendenz. Vereinsmitgliedschaft. unentgeltliches Beschäftigungsverhältnis. Mannschaftstraining. Handballspielerin in der 2. Handballbundesliga
Leitsatz (amtlich)
Die Spielerin einer Handballmannschaft in der 2. Handballbundesliga steht auch dann in einem der gesetzlichen Unfallversicherung unterfallenden Beschäftigungsverhältnis, wenn zwar die Entgeltzahlung als typisches Merkmal eines Arbeitsverhältnisses fehlt, aber eindeutige Anhaltspunkte für ein unentgeltliches Beschäftigungsverhältnis sprechen.
Gelten vertragliche Verpflichtungen, die über die Vereinsmitgliedschaftspflichten hinausgehen und der Rechtsbeziehung zwischen Spielerin und Verein durch Tätigkeit nach Weisung und Eingliederung in die Arbeitsorganisation das Gepräge eines Beschäftigungsverhältnisses im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB IV geben, liegen solche Anhaltspunkte vor.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 18.02.2013 abgeändert: Der Bescheid der Beklagten vom 25.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.05.2010 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, den Unfall der Klägerin vom 29.01.2009 als Arbeitsunfall festzustellen. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
Die Berufung des Beigeladenen wird als unzulässig verworfen.
Die Beklagte hat die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Instanzen zu erstatten. Außergerichtliche Kosten des Beigeladenen sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin, die sich am 29.01.2009 beim Handball-Training für die in der 2. Bundesliga spielende Mannschaft des S. A. einen Schaden am linken Schneidezahn zuzog, einen Arbeitsunfall erlitt.
Die Klägerin (geboren 1981) ist in ihrem Hauptberuf in P. in Vollzeit erwerbstätig. Neben dieser Erwerbstätigkeit spielte sie Handball. In diesem Zusammenhang war der Trainer des S. A. e.V., dessen Handballmannschaft in der 2. Bundesliga spielt, im Jahr 2005 an die Klägerin herangetreten.
Der S. A. e.V. verfügt über eine Lizenz des Deutschen Handballbundes für die 2. Bundesliga der Frauen. Wirtschaftlicher Träger der Bundesligamannschaft ist der Handball-Sportmanagement-A. e.V (Beigeladene). Vereinszweck des Beigeladenen ist das Management der 1. Damenhandballmannschaft des S. A. e.V. (zur Vereinssatzung vgl. Blatt 83 bis 88 der SG-Akte; zum Gründungsprotokoll vgl. Blatt 89 bis 95 der SG-Akte). Dabei ist nach § 2 Buchstabe a) der Satzung Aufgabe des Beigeladenen die Förderung und Organisation des Leistungssports und die Unterstützung des Breiten- und Jugendsports im Fachbereich Handball des S. A. e.V ... Nach § 2 Buchstabe f) kooperiert der Beigeladene in wirtschaftlicher, sportlicher und organisatorischer Hinsicht mit dem S. A. e.V ...
Die Klägerin schloss am 12.03.2006 einen Spielervertrag mit dem Beigeladenen, um in der Saison 2006/2007 für die Damenhandballmannschaft des S. A. e.V. zu spielen (dazu vgl. Blatt 23 bis 28 der SG-Akte). Nach § 7 dieses Vertrages begann das Vertragsverhältnis am 01.07.2006 und endete am 30.06.2007; der Vertrag verlängerte sich um jeweils ein Jahr. Zugleich schloss sie einen Vertrag mit dem S. A. e.V., wonach sie sich verpflichtete, in der jeweiligen Saison für diesen Handball zu spielen (zum Vertrag für die Saison 2008/2009 vgl. Blatt 32, 33 der SG-Akte; für die Saison 2009/2010 vgl. Blatt 29, 30 der SG-Akte). Der Vertrag war jeweils der Handball Bundesliga Vereinigung Frauen angezeigt worden (vgl. z.B. Blatt 31, 34 der SG-Akte). Die Klägerin trat dann dem S. A. e.V. bei, zahlte den Mitgliedsbeitrag und nahm am Trainings- und Spielbetrieb teil.
Der mit dem Beigeladenen geschlossene Vertrag enthält u.a. folgende Regelungen (Blatt 23 bis 28 der SG-Akte):
"§ 1 Grundlagen des Rechtsverhältnisses Die Spielerin spielt mit Spielrecht für den S. A. für den Verein nach den Bestimmungen dieses Vertrages als "Spielerin mit Vertrag" gem. Abschnitt VII der Spielordnung des Deutschen Handballbundes (DHB). Grundlagen des Vertrages sind die Satzung und die Ordnungen des Deutschen Handballbundes (DHB) und der Handball-Bundesliga-Vereinigung Frauen e.V. (HBV-F) in ihren jeweils gültigen Fassungen.
§ 2 Pflichten der Spielerin Die Spielerin verpflichtet sich, ihre sportliche Leistungsfähigkeit für den Verein einzusetzen und alles zu tun, diese zu erhalten und zu steigern und alles zu unterlassen, was dieser im Allgemeinen und im Besonderen vor, während und nach Veranstaltungen des Vereins abträglich sein könnte. Gemäß diesen Grundsätzen verpflichtet sich die Spielerin insbesondere, a) an allen Vereinsspielen und -lehrgängen, am Training, an allen Mannschaftsbesprechungen und sonstigen der Spiel- und Wettkampfvorbereitung dienenden Veranstaltungen teilzunehmen. Dies gilt auch, wenn ein Mitwirken als Spielerin nicht in Betracht kommt;...