Entscheidungsstichwort (Thema)
Elterngeldberechtigung. inländischer Wohnsitz. keine Bindung der Elterngeldstellen an die Bejahung des Inlandswohnsitzes im steuerrechtlichen Kindergeldverfahren. Auslandsaufenthalt in den USA. Leben der Familie im Ausland. neuer Lebensmittelpunkt. Beibehaltung einer Eigentumswohnung in Deutschland. vorübergehende Besuche nicht ausreichend. Ausstrahlungswirkung. Schwerpunkt der rechtlichen und tatsächlichen Merkmale des Beschäftigungsverhältnisses. rechtlich selbstständige Einsatzgesellschaft. unechte Entsendung. Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen aufgrund einer Ausnahmevereinbarung nach Art 6 Abs 5 SozSichAbk USA. keine entsprechende Anwendung von § 1 Abs 2 S 1 Nr 1 BEEG
Leitsatz (amtlich)
Geht die Familienkasse bei der Entscheidung über die Gewährung von Kindergeld davon aus, dass die Berechtigte trotz eines längeren Aufenthalts im Ausland ihren inländischen Wohnsitz beibehalten hat (Doppelwohnsitz), sind die für die Bewilligung von Elterngeld zuständige Stelle und die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit bei einer Entscheidung über die Gewährung von Elterngeld hieran nicht gebunden.
Orientierungssatz
1. Schon die rechtliche Selbstständigkeit der Einsatzgesellschaft spricht gegen eine Ausstrahlung im Sinne des § 4 SGB 4 (vgl BSG vom 5.12.2006 - B 11a AL 3/06 R = SozR 4-2400 § 4 Nr 1).
2. Die Zahlung von Beiträgen zur Sozialversicherung (Renten- und Arbeitslosenversicherung) über eine Ausnahmevereinbarung nach Art 6 Abs 5 des Sozialversicherungsabkommens zwischen Deutschland und den USA (juris: SozSichAbk USA) genügt nicht, um eine Elterngeldberechtigung in entsprechender Anwendung des § 1 Abs 2 S 1 Nr 1 BEEG zu bewirken.
3. Für einen Anspruch auf Elterngeld genügt es nicht, dass nur ein Rumpfarbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber in Deutschland fortbesteht (zum BErzGG vgl BSG vom 24.10.2010 - B 10 EG 12/09 R = SozR 4-7833 § 1 Nr 11).
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 17.10.2018 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist ein Anspruch auf Elterngeld nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG).
Die 1985 geborene, verheiratete Klägerin ist Mutter der 2017 in Royal Oak, USA, geborenen E. F. H. (im Folgenden: E). Die Klägerin war vor der Geburt in Deutschland bei der Firma H. B.V.& Co.KG versicherungspflichtig beschäftigt. Vom 11.12.2016 bis 24.03.2017 bezog sie Mutterschaftsgeld und einen Arbeitgeberzuschuss hierzu. Ihr Ehemann ist seit 2007 bei der Firma T. A. GmbH, A. tätig. Für die Zeit vom 04.11.2016 bis 14.10.2018 war der Ehemann der Klägerin bei Z. T. A. & P. O. S. Systems in Washington, Michigan tätig bei fortbestehendem deutschen Arbeitsvertrag mit zusätzlichem Entsendevertrag. Die Klägerin begleitete ihn in die USA. Das bereits zuvor bewohnte Eigenheim der Familie in S. wurde für die Dauer des USA-Aufenthalts nicht vermietet, die Versorgungsverträge (Strom, Wasser, Müllabfuhr) liefen weiter. E wurde am 29.05.2017 als Tag des Einzugs bei der Gemeinde S. mit alleiniger Wohnung gemeldet. Seit Anfang November 2018 lebt die Familie dauerhaft wieder in Deutschland.
Am 09.02.2017 übersandte die Beklagte der Klägerin auf deren Bitte Informationen zum Elterngeld bei Wohnsitz oder Erwerbstätigkeit im Ausland. Am 10.03.2017 beantragte die Klägerin daraufhin Elterngeld unter Vorlage ua von Verdienstbescheinigungen. Ferner legte sie vor einen Versicherungsschein der A. W. Care (Krankenversicherung) über einen Gruppenvertrag von T. A. (UK) Limited USA mit Versicherungsbeginn 01.01.2017, Verlängerungsdatum 01.01.2018 für sich selbst, ihren Ehemann und die Tochter sowie einen Bescheinigung der Z. T. USA vom 08.09.2016 zur Errichtung eines persönlichen Girokontos und zur Erlangung einer Kreditkarte, worin der Ehemann der Klägerin als “Our employee„ mit der Berufsbezeichnung “Account Manager„ mit einem Jahresgehalt von 86.000 € genannt wurde. Auf Frage nach dem Wohnsitz gab die Klägerin an, sich ab 04.11.2016 in den USA aufzuhalten. Seit der Geburt des Kindes hätten folgende Aufenthalte in Deutschland stattgefunden bzw seien geplant: 20.05. bis 06.06.2017, 12.09 bis 26.09.2017. In dem von der Arbeitgeberin T. A. GmbH ausgefüllten Formular “Angaben zur Entsendung„ vom 04.04.2017 wird als Einsatzgesellschaft für den Zeitraum 04.11.2016 bis 30.09.2018 die Z. T. A. & P. S. Techn. in Washington, Michigan bezeichnet. Träger der Personal- und Sachkosten sei zu 100% die Einsatzgesellschaft. Eine Entsendung iSv § 4 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) liege nicht vor.
Mit Bescheid vom 06.06.2017 lehnte die Beklagte die Gewährung von Elterngeld ab. Zur Begründung führte sie aus, dass Anspruch auf Elterngeld nur bestehe, wenn die Klägerin ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland habe oder sie als Ehegatte eines entsandten Arbeitnehmers gemäß § 4 SGB IV dem deutschen Sozialversicherungsrecht unterliege. Dies sei hier nicht der Fal...