Leitsatz (amtlich)

Die Nachbesetzung einer Arztstelle im MVZ setzt voraus, dass der ausscheidende Arzt und der prospektive neue Stelleninhaber derselben Arztgruppe im Sinne der Regelungen der Bedarfplanung angehören und das Tätigkeitsspektrum des neuen Angestellten dem des vorigen im Wesentlichen entspricht (Anschluss anBSG, Urteil vom 19.10.2011 - B 6 KA 23/11 R -;BSG, Urteil vom 02.07.2014 - B 6 KA 23/13 R -; beide in juris). An Letzterem fehlt es, wenn der prospektive neue Stelleninhaber über eine andere fachliche Qualifikation (hier Internist mit Schwerpunkt Hämatologie und Onkologie) verfügt, so dass es ihm nicht erlaubt ist, die Patienten seines Vorgängers (hier Internist mit Schwerpunkt Rheumatologie) zu behandeln.

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 10.11.2022 sowie der Bescheid des Beklagten vom 11.03.2021 (Beschluss vom 21.10.2020) werden aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 60.000 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Im Streit steht die Nachbesetzung einer Arztstelle.

Die Beigeladene zu 1) ist Trägerin eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) mit Vertragsarztsitz in der L1-straße, in S1. Das MVZ ist seit 01.07.2010 zur vertragsärztlichen Tätigkeit in den Fachgebieten Innere Medizin mit der Zuordnung zur fachärztlichen Versorgung und Innere Medizin mit der Zuordnung zur hausärztlichen Versorgung zugelassen. Bis 30.04.2018 beschäftigte das MVZ auf Grundlage der Genehmigung des Zulassungsausschusses für Ärzte vom 22.09.2016 S2 (im Folgenden S), Facharzt für Innere Medizin mit der Berechtigung zum Führen der Schwerpunktbezeichnung Rheumatologie mit der Zuordnung zur fachärztlichen Versorgung, als angestellten Arzt mit einem Umfang der Arbeitszeit von 32 Wochenstunden. Mit Beschluss vom 14.06.2018 stellte der Zulassungsausschusses das Ende dieser Genehmigung zum 30.04.2018 fest. Mit Beschluss vom 24.10.2018 gab er dem Antrag der Beigeladenen zu 1) auf Verlängerung der Frist zur Nachbesetzung der Angestelltenstelle bis zum 30.04.2019 statt.

Das MVZ beschäftigte außerdem seit 07.07.2016 C1 (im Folgenden C), Facharzt für Innere Medizin mit der Berechtigung zum Führen der Schwerpunktbezeichnung Hämatologie und Internistische Onkologie, mit der Zuordnung zur hausärztlichen Versorgung als angestellten Arzt, zunächst im Umfang von 20 Wochenstunden (Beschluss des Zulassungsausschusses vom 06.07.2016). Mit Vertrag vom 11.04.2019 vereinbarte die Beigeladene zu 1) mit C aufschiebend bedingt, für den Fall, dass der Zulassungsausschuss die Nachbesetzung der Stelle von S durch ihn genehmigt, die Weiterbeschäftigung im Umfang von 40 Wochenstundenzahl im fachärztlichen anstatt hausärztlichen Bereich.

Am 30.04.2019 beantragte die Beigeladene zu 1) die Genehmigung der Anstellung von C, Facharzt für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Hämatologie und Internistische Onkologie, mit der Zuordnung zur fachärztlichen Versorgung im Umfang von 40 Wochenstunden zu erteilen. Zur Begründung des Antrags wurde ausgeführt, man habe sich intensiv um die Nachbesetzung der angestellten Stelle von S mit einem Fachinternisten mit dem Schwerpunkt Rheumatologie bemüht. Alle Bemühungen seien erfolglos geblieben, so dass zwangsläufig die Angestelltenstelle mit einem Facharzt für Innere Medizin ohne rheumatologischen Schwerpunkt nachbesetzt werden müsse.

Mit Beschluss vom 13.06.2019 lehnte der Zulassungsausschuss den Antrag der Beigeladenen zu 1) ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setze eine Nachbesetzung voraus, dass der ausscheidende Arzt und der neue Stelleninhaber derselben Arztgruppe im Sinne der Regelungen zur Bedarfsplanung angehörten und dass der Umfang und Inhalt der Tätigkeit einander im Wesentlichen entspreche. Letzteres sei vorliegend nicht der Fall.

Dem Widerspruch der Beigeladenen zu 1) vom 20.11.2019 gab der Beklagte mit Beschluss vom 21.10.2020 (Bescheid vom 11.03.2021) statt. Er hob die Entscheidung des Zulassungsausschusses auf und erteilte die begehrte Genehmigung mit Wirkung zum 22.10.2020. Zugleich stellte der Beklagte das Ende der Beschäftigung von C, Facharzt für Innere Medizin mit der Zuordnung zur hausärztlichen Versorgung, als angestellten Arzt mit einer Arbeitszeit von 40 Wochenstunden zum 21.10.2020 fest.

Mit Beschluss vom 07.01.2022 ordnete das Sozialgericht Stuttgart (SG) die sofortige Vollziehung des Beschlusses vom 21.10.2020 an ( S 12 KA 3646/21 ER ).

Am 08.04.2021 hat die Klägerin beim SG Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, eine inhaltliche Übereinstimmung der vertragsärztlichen Tätigkeit eines Facharztes für Innere Medizin, Schwerpunkt Rheumatologie, und eines Facharztes für Innere Medizin, Schwerpunkt Hämatologie und Internistische Onkologie, sei nicht gegeben. Das Leistungsspektrum beider Schwerpunkte sei grundlegend verschieden und mit ganz unterschiedliche...

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