Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Versicherungspflicht bisher Nichtversicherter. ehemaliger Strafgefangener. Merkmal "zuletzt gesetzlich krankenversichert" iS des § 5 Abs 1 Nr 13 Buchst a SGB 5
Leitsatz (amtlich)
Der für die Auslegung des Merkmals "zuletzt krankenversichert" in § 5 Abs 1 Nr 13 Buchst a SGB 5 ausschlaggebende Systembezug zur gesetzlichen Krankenversicherung besteht auch dann, wenn zwischen der absicherungslosen Zeit und der Versicherungszeit in der gesetzlichen Krankenversicherung ein Zeitraum liegt, während dem der Betreffende im Krankheitsfall nach Maßgabe des Sozialhilferechts (vgl §§ 264 SGB 5, 48 SGB 12) oder des Strafvollzugsrechts (§§ 56ff StVollzG) abgesichert war.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 13.10.2009 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Versicherungspflicht des Klägers zur gesetzlichen Kranken- und zur sozialen Pflegeversicherung im Rahmen der sog. Auffangversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) bzw. §§ 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI).
Der 1963 geborene Kläger, der seit Oktober 2004 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer bezieht (monatlicher Zahlbetrag ab 1.7.2008: 244,00 €), verbüßte vom 3.3. bis 3.12.2008 eine Haftstrafe wegen eines Drogendeliktes in der JVA H. (zunächst Untersuchungshaft ab 3.3.2008). Von dort wurde er in das Therapiezentrum Br. in B, einer Einrichtung zur stationären Behandlung von Abhängigkeitskrankheiten, entlassen, wo er (zuletzt) mit Hauptwohnsitz gemeldet war. Seit Juni 2009 ist sein Aufenthalt unbekannt.
Vom 20.6. bis 9.8.2006 war der Kläger als Teilnehmer an einer berufsfördernden Maßnahme des Rentenversicherungsträgers bei der Beklagten pflichtversichert. Danach erhielt er vom 10.8.2006 bis 2.3.2008 laufende Hilfe zum Lebensunterhalt (§§ 27 ff. Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch, SGB XII) von der Beigeladenen (Sozialhilfeträger); in dieser Zeit übernahm die Beklagte (auftragshalber, § 264 SGB V) zunächst die Leistungen der Krankenbehandlung (§ 48 SGB XII) gegen Kostenerstattung durch den Sozialhilfeträger. Während der Haftzeit (3.3.2008 bis 3.12.2008) bestand Anspruch auf Krankenbehandlung im Rahmen der Gesundheitsfürsorge nach dem Strafvollzugsgesetz (§§ 56 ff. StVollzG). Nach der Haftentlassung am 3.12.2008 hielt sich der Kläger bis 20.6.2009 im Therapiezentrum Br. auf; die Beklagte übernahm die entsprechenden Kosten erneut (bis 6.3.2009) für den beigeladenen Sozialhilfeträger gegen Kostenerstattung. Laufende Leistungen nach dem SGB XII bezog der Kläger in dieser Zeit nicht, weil der Lebensbedarf des Klägers durch die Leistungen des Therapiezentrums und seine Erwerbsminderungsrente gedeckt war (Schreiben der Beigeladenen - Abteilung Sozialleistungen - vom 16.4.2009 sowie Schriftsätze vom 7.4. und 6.5.2010).
Am 18.3.2009 gab der Kläger eine Anzeige zur Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V und § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 SGB XI ab. Er gab u.a. an, bis 6.3.2009 habe das Sozialamt die Kosten im Fall der Krankheit getragen.
Mit Bescheid vom 25.3.2009 lehnte die Beklagte die Feststellung der Mitgliedschaft bei ihr ab. Der Kläger sei zuletzt über die freie Heilfürsorge versichert gewesen. Dabei handele es sich nicht um eine gesetzliche Versicherung, weshalb sie den Kläger nicht im Rahmen der Auffangversicherung (wieder) aufnehmen müsse.
Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs trug der Kläger vor, bei ihm bestehe gem. § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V Versicherungspflicht zur gesetzlichen Krankenversicherung, weil er derzeit im Krankheitsfall nicht abgesichert und zuletzt (bei der Beklagten) gesetzlich krankenversichert gewesen sei. Maßgeblich sei die zuletzt bestehende Versicherung, hier also die während der Haftzeit (3.3. bis 3.12.2008) gewährte Gesundheitsfürsorge nach Maßgabe des StVollzG; während dieser Zeit habe seine Krankenversicherung geruht. Die Gesundheitsfürsorge sei weder der gesetzlichen noch der privaten Krankenversicherung zuzuordnen. Deswegen müsse auf die vor der Haftzeit bestehende Versicherung abgestellt werden. Unerheblich sei, dass ihm der Sozialhilfeträger Leistungen der Krankenhilfe gewährt habe, da er dadurch nicht krankenversichert gewesen sei.
Im Schreiben der Beigeladenen (Abteilung Sozialleistungen, Verwaltungsakte S. 17) vom 16.4.2009 ist ausgeführt, seit 1.7.2008 habe man keine laufenden Sozialhilfeleistungen mehr gewährt und die während der Inhaftierung des Klägers zu Unrecht gewährten Leistungen (1.4. bis 30.6.2008) zurückgefordert. Der aktuelle Lebensunterhalt des Klägers im Therapiezentrum Br. sei durch dessen Rente gedeckt. Der Kläger sei gem. § 264 Abs. 5 SGB V abgemeldet worden, da seit Beginn der Haft kein Be...