Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Hilfsmittelversorgung. kein Anspruch auf Versorgung mit einem elektronischen Rollstuhlzuggerät
Leitsatz (amtlich)
Versicherte der GKV, die mit 2 Aktivrollstühlen und einem Handbike versorgt sind, haben keinen Anspruch auf Versorgung mit einer elektronischen Antriebshilfe (Rollstuhlzuggerät).
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 16.08.2019 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Versorgung mit einem elektronischen Rollstuhlzuggerät (mySKATE).
Der 1966 geborene Kläger ist seit 1968 bei Angiom im Bereich der Lendenwirbelsäule querschnittsgelähmt. Er ist bei der Beklagten pflichtversichert als Beschäftigter. Er ist versorgt mit je einem Aktivrollstuhl für den Innen- und Außenbereich sowie einem Handbike mit elektrischer Unterstützung.
Der Kläger beantragte am 21.03.2017 unter Vorlage einer Verordnung vom 07.03.2017 die Versorgung mit der mySKATE 1.1 elektronischen Antriebshilfe. Beigefügt war ein Kostenvoranschlag für das Zuggerät iHv 3.053,49 €.
Mit Bescheid vom 27.03.2017 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Der Kläger sei für den Basisausgleich der Behinderung mit diversen Hilfsmitteln versorgt (2 Aktivrollstühle und 1 Handbike). Damit sei der Basisausgleich „Mobilität“ durch die Krankenkasse sichergestellt. Das gewünschte Zuggerät mit Möglichkeit der Verladung in den Pkw falle nicht in den Leistungsbereich der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern in den Eigenverantwortungsbereich.
Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, mit der bisherigen Versorgung sei es ihm nicht möglich, die Wohnung zu verlassen und auch die im Nahbereich der Wohnung liegenden Stellen zu erreichen. Der Radius des Handbikes sei zu groß. Das Hilfsmittel mySKATE könne er direkt am Rollstuhl ankoppeln und in einige Ladengeschäfte sogar direkt hinfahren bzw dann die letzten zwei bis drei Meter mit dem Rollstuhl noch manuell zurücklegen.
Im daraufhin eingeholten Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) vom 23.05.2017 äußerte Dr. S., dem Mobilitätsausgleich werde mit der vorhandenen Versorgung Genüge getan. Mit Widerspruchsbescheid vom 14.03.2018 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen richtet sich die am 22.03.2018 zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhobene Klage. Der Kläger hat ausgeführt, er könne zwar selbst Auto fahren, das Handbike wegen seines Gewichts (über 20 kg) jedoch nicht ohne fremde Hilfe ins Auto laden und wieder ausladen. Zum Einkaufen sowie für Apotheken- und Arztbesuche fahre er mit dem Auto und nehme den Aktivrollstuhl mit. Mit dem Zuggerät mySKATE sei er weniger auf fremde Hilfe angewiesen und könne seinen Radius mit der Akkuleistung des mySKATE auf etwa 20 km erweitern.
Das SG hat den behandelnden Hausarzt B. und die behandelnden Ärzte der Abteilung für Querschnittsgelähmte der BG Klinik T. schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Auf die insoweit vorgelegten Unterlagen (Blatt 34/42, und 43/63 SG-Akte) wird Bezug genommen. Mit Urteil vom 16.08.2019 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Anspruch auf Versorgung mit dem Hilfsmittel mySKATE nach § 33 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) scheitere daran, dass dieses weder erforderlich sei zur Sicherung der Krankenbehandlung noch zur Vorbeugung einer drohenden Behinderung oder zum Behinderungsausgleich. Bei dem hier relevanten mittelbaren Behinderungsausgleich sei Grundbedürfnis des täglichen Lebens in Bezug auf die Mobilität nur die Erschließung eines Nahbereichs um die Wohnung eines Versicherten. Dieser Nahbereich sei mit der vorhandenen Versorgung erschlossen. Aus dem Vorbringen des Klägers lasse sich entnehmen, dass bei ihm das Gleichziehen mit einem gesunden Menschen im Vordergrund stehe, der in der Lage sei, ein Fahrrad als Fortbewegungsmittel sowie als Freizeitgerät zu nutzen sowie jederzeit ohne Hilfe die Transportmöglichkeit eines Pkw zu nutzen. Dies gehöre nicht zum Basisausgleich.
Gegen das seinen Bevollmächtigten am 21.08.2019 zugestellte Urteil richtet sich die am 26.08.2019 eingelegte Berufung des Klägers. Das SG habe fälschlicherweise festgestellt, dass der Nahbereich durch die vorhandene Versorgung erschlossen sei. Dabei verkenne das SG, dass das Handbike für den alltäglichen Gebrauch zu unpraktisch sei und er es aus gesundheitlichen Gründen nicht immer benutzen könne. Mit dem Aktivrollstuhl könne er sich draußen ca 100 bis 150 Meter fortbewegen, dann komme es zu sehr starken Schmerzen in Schulter, Ellenbogen und Handgelenken. Die nächsten Ladengeschäfte sowie der Hausarzt seien jedoch 500 Meter entfernt. Autofahren sei noch möglich. Das Handbike könne er nur an sehr guten Tagen nutzen. Vorteil des Zuggerätes gegenüber einem Elektrorollstuhl sei, dass dieses in ein Auto geladen werden könne.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 16.08.2019 und den Bescheid der Beklagten vom 27.03....