Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Einkommenseinsatz. einmalige Einnahme. Leistungserbringung für den Zuflussmonat ohne Berücksichtigung der einmaligen Einnahme. Berücksichtigung im Folgemonat. zwingende Vorschrift. Abweichung aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung
Leitsatz (amtlich)
Die normative Zuflussbestimmung des § 82 Abs 7 S 1 SGB XII, wonach einmalige Einnahmen, bei denen für den Monat des Zuflusses bereits Leistungen erbracht worden sind, im Folgemonat berücksichtigt werden, ist sowohl nach dem Wortlaut als auch nach der Gesetzesbegründung zwingend. Hiervon kann auch nicht aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung abgewichen werden.
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 26. Juli 2021 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch im Berufungsverfahren zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Aufhebung einer Leistungsgewährung für den Monat Juni 2020 und die diesbezügliche Erstattungsforderung des Beklagten.
Bei dem 1994 geborenen, unter gesetzlicher Betreuung stehenden Kläger ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 festgestellt und ihm sind die Merkzeichen „G“, „H“ sowie „B“ zuerkannt. Die Deutsche Rentenversicherung B hat bei ihm eine seit Geburt bestehende volle Erwerbsminderung festgestellt und mangels Erfüllung der erforderlichen besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung abgelehnt (Bescheid vom 31. August 2012, Bl. 571 ff. Verw.-Akte). Der Kläger steht bei dem Beklagten in laufendem Bezug von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII), Viertes Kapitel. Er lebte jedenfalls bis Juli 2020 in Untermiete bei seiner Mutter zu einem monatlichen Mietzins von aktuell 175,00 EUR (Bruttowarmmiete).
Mit Bescheid vom 5. Juni 2019 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für den Zeitraum Juli 2019 bis Juni 2020 in einer Höhe von 671,08 EUR monatlich, wobei ihm ohne die direkt an seine Mutter als Vermieterin überwiesenen Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) ein Zahlbetrag von 496,08 EUR zugeordnet wurde (Bl. 397 ff. Verw.-Akte). Für den Juni 2020 erhielt der Kläger die Leistungen am 26. Mai 2020, nunmehr - nach Anhebung des Regelbedarfs und entsprechend des Mehrbedarfs nach § 42 i.V.m. § 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII - Leistungen mit einem ihm zugeordneten Zahlbetrag von 505,44 EUR und damit in einer Gesamthöhe von 680,44 EUR (Bl. 423 Verw.-Akte, Bl. 30 f. Senatsakte). Mit Bescheid vom 3. Juni 2020 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für den Zeitraum Juli 2020 bis Juni 2021 mit einer monatlichen Höhe von 680,44 EUR (Bl. 409 ff. Verw.-Akte).
Am 16. Juni 2020 ging auf dem Taschengeldkonto des Klägers ein Betrag von 5.000 EUR ein (Bl. 419 Verw.-Akte), was der damalige Betreuer des Klägers dem Beklagten mit Schreiben vom 8. Juli 2020 mitteilte. Im Weiteren übersandte der Betreuer ein Schreiben der Mutter des Klägers - als Bevollmächtigte ihres Vaters, mithin des Großvaters des Klägers - vom 27. Juli 2020, nach welchem der Kläger sich durch Fälschung der Unterschrift ihres Vaters unrechtmäßig einen Betrag von 5.000 EUR überwiesen habe (Bl. 441 Verw.-Akte). Die von dem Überweisungsbetrag nach Entdeckung noch verbliebenen 2.000 EUR überwies der Betreuer des Klägers zurück (Bl. 451; zum Ganzen auch Beschluss des Amtsgerichts Rastatt - Vollstreckungsgericht - vom 21. September 2020 - 3 M 6576/18, Bl. 465 ff. Verw.-Akte).
Mit Schreiben vom 7. Oktober 2020 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass nach klägerseitiger Ausgabe von 3.000 EUR des erschlichenen Geldes und einer Sicherstellung von lediglich 2.000 EUR, dies - der Betrag von 3.000 EUR - einmalig im Zuflussmonat Juni 2020 als Einkommen zu berücksichtigen sei und hörte ihn zu der beabsichtigten Rückforderung von 680,44 EUR für den Juni 2020 an.
Nach einer diesbezüglichen Stellungnahme des nunmehrigen Betreuers des Klägers hob der Beklagte mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 26. November 2020 den Bewilligungsbescheid vom 5. Juni 2019 für den Monat Juni 2020 in voller Höhe auf und forderte von dem Kläger die Erstattung von 680,44 EUR. Bei dem Kläger sei bislang kein monatliches Einkommen berücksichtigt worden. Am 16. Juni 2020 seien seinem Konto 5.000 EUR gutgeschrieben worden, von denen er tatsächlich über 3.000 EUR verfügt habe. Diese 3.000 EUR stellten Einkommen dar, das bei der Grundsicherungsleistung zu berücksichtigen gewesen wäre. Auf die Anwendung der Regelung des § 82 Abs. 7 Satz 2 SGB XII werde zugunsten des Klägers verzichtet. Da es sich um eine gebundene Entscheidung handele, die der Behörde im Regelfall keinen Ermessensspielraum einräume, sei der Verwaltungsakt vollständig aufzuheben gewesen. Eine atypische Fallkonstellation sei erkennbar nicht gegeben.
Den Widerspruch des Klägers vom 30. November 2020 ...