Entscheidungsstichwort (Thema)
Transferkurzarbeitergeldanspruch. persönliche Voraussetzung. Bedrohung durch Arbeitslosigkeit. ordentlich unkündbarer Arbeitnehmer. Arbeitgeberabsicht. Rechtswidrigkeit bzw Rechtmäßigkeit der drohenden Kündigung
Orientierungssatz
Ein ordentlich unkündbarer Arbeitnehmer ist iS von § 216b Abs 4 S 1 Nr 1 SGB 3 von Arbeitslosigkeit bedroht, wenn der Arbeitgeber die ernste Absicht hat, den Arbeitnehmer zu kündigen. Dies ergibt sich bereits aus einer Anzeige über den Arbeitsausfall bzw aus der namentlichen Kündigungsliste im Rahmen eines betrieblichen Interessenausgleichs. Auf die Rechtmäßigkeit der beabsichtigten Kündigung kommt es nicht an (vgl BSG vom 29.1.2008 - B 7/7a AL 20/06 R = SozR 4-4300 § 175 Nr 1).
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 26. September 2011 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
Tatbestand
Im Streit steht die Gewährung von Transferkurzarbeitergeld bezüglich der Arbeitnehmerin L. ( im Folgenden AN).
Bei der AN handelt es sich um eine ehemalige Beschäftigte der C. GmbH, A. Am 17. September 2009 schloss die C. GmbH mit ihrem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung mit Interessenausgleich über die Schaffung neuer Personalstrukturen. Danach sind Personalanpassungsmaßnahmen in erheblichem Umfang durchzuführen. Die Betriebsparteien haben sich mit der Vereinbarung vom 2. Dezember 2009 auf die in der Anlage namentlich genannten Arbeitnehmer - darunter auch AN - als vom Personalabbau Betroffenen geeinigt. Die von der drohenden Entlassung betroffenen Arbeitnehmer (letztendlich 106 Arbeitnehmer) wurden mittels eines dreiseitigen Vertrages in die unter der Trägerschaft der Klägerin, einem Anbieter im Bereich von Transfer-, Qualifizierungs- und Personaldienstleistungen, gebildeten betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit (beE; s. Dienstleistungsvertrag vom 22. Dezember 2009) übernommen, in der ihnen eine angepasste berufliche Qualifizierung ermöglicht und die Aufnahme in den ersten Arbeitsmarkt erleichtert werden sollte. Die maximale Verweildauer in der beE beträgt 12 Monate.
Am 18. Januar 2010 (Schreiben vom 14. Januar 2010) zeigte die Klägerin einen Arbeitsausfall mit Arbeitsentgeltausfall in der beE ab 1. Januar 2010 an und benannte u.a. auch AN. Auf AN, geb. 1956, fand § 4.4 Manteltarifvertrag (MTV) für die Beschäftigten in der Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden vom 18. Dezember 1996/19. September 2000 Anwendung, der bestimmt, dass eine ordentliche Kündigung von Beschäftigten, die das 53., aber noch nicht das 65. Lebensjahr vollendet haben und dem Betrieb mindestens 3 Jahre angehören, ausgeschlossen ist.
Mit Bescheid vom 11. März 2010 stellte die Beklagte fest, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Transferkurzarbeitergeld erfüllt seien und den vom Entgeltausfall betroffenen Arbeitnehmern mit Ausnahme von AN ab 1. Januar 2010 Leistungen bewilligt werden. Hinsichtlich der Ablehnung der Leistungen an AN wurde ausgeführt, für diese bestehe nach § 4.4 MTV ein absoluter Kündigungsschutz. Insofern sei für die Gewährung von Transferkurzarbeitergeld entscheidend, ob der Arbeitnehmer trotz des absoluten ordentlichen Kündigungsschutzes aufgrund der Strukturanpassungsmaßnahmen rechtswirksam entlassen werden könne. Dies sei nach Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) nur dann der Fall, wenn der Arbeitsplatz wegfalle und der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch unter Einsatz aller zumutbaren Mittel einschließlich Umorganisation des Betriebes nicht weiterbeschäftigten könne. Es genüge insoweit nicht, dass der Arbeitgeber das Bestehen entsprechender freier Arbeitsplätze in Abrede stelle.
Die Klägerin legte hiergegen am 15. März 2010 Widerspruch ein und verwies auf eine Stellungnahme der Ca. GmbH. Diese führte aus, AN sei zuletzt als Versandmitarbeiterin in Vollzeit eingesetzt gewesen. Ihr Arbeitsplatz sei weggefallen, da das Volumen der Versandarbeiten erheblich eingebrochen sei. Aufgrund der Struktur der verbliebenen Tätigkeiten im Versand habe AN nicht mehr als Versandmitarbeiterin eingesetzt werden können. Eine Umsetzung auf eine andere Position in der Produktion sei nicht in Betracht gekommen, da AN hierfür aufgrund ihrer bisherigen Tätigkeit nicht geeignet gewesen sei. Ferner verwies die Arbeitgeberin auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 29. Januar 2008 - B 7/7a AL 20/06 R). Danach liege eine drohende Arbeitslosigkeit als Voraussetzung für die Gewährung von Transferkurzarbeitergeld vor, wenn eine ernste Absicht des Arbeitgebers bestehe, den betreffenden Arbeitnehmer zu entlassen. Diese ernste Absicht sei nach Ansicht des BSG bereits in der Kündigungsnamensliste gemäß § 1 Abs. 5 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) zum Interessenausgleich zu sehen. Einer hypothetischen kündigungsrechtlichen Einzelfallprüfung bedürfe es nicht.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Wi...