Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziales Entschädigungsrecht. Soldatenversorgung. Wehrdienstbeschädigung. Grad der Schädigungsfolgen. Höherbewertung. Beschädigtengrundrente. Berufsschadensausgleich. Umschulung durch anderen Rehabilitationsträger. Arbeitslosigkeit. Rehabilitation vor Rente
Leitsatz (amtlich)
§ 29 BVG schließt eine Höherbewertung des GdS für alle Zeiten vor einer Rehabilitationsmaßnahme aus, wobei es keine Rolle spielt, dass die Umschulung durch einen anderen Träger erfolgt ist. Nur wenn diese Maßnahme entweder nicht zumutbar oder nicht erfolgversprechend gewesen wäre, könnte eine Höherbewertung nach § 30 Abs 2 BVG vor Abschluss der Maßnahme stattfinden.
Orientierungssatz
1. Soll im Einzelfall von der Grundentscheidung, erst ab einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 30 Rente zu gewähren, abgewichen werden, müssen besondere Gründe festgestellt werden (vgl BSG vom 18.10.1995 - 9 RV 18/94 = SozR 3-3100 § 30 Nr 14).
2. Wer erfolgreich umgeschult worden ist, kann nicht geltend machen, der Umschulungsberuf sei nicht sozial gleichwertig iS des § 30 Abs 2 S 2 Nr 1 BVG (vgl BSG vom 18.10.1995 - 9 RV 18/94 aaO).
3. Die Arbeitslosigkeit im Anschluss an eine erfolgreiche Umschulung ist kein schädigungsbedingter beruflicher Nachteil (vgl BSG vom 18.10.1995 - 9 RV 18/94 aaO).
Normenkette
SVG § 80 Abs. 1 S. 1, § 81 Abs. 1; BVG §§ 29, 30 Abs. 2-3, § 31 Abs. 1
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 7. Juni 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten im Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger Beschädigtengrundrente unter Berücksichtigung einer besonderen beruflichen Betroffenheit sowie Berufsschadensausgleich zu gewähren ist.
Der 1976 geborene Kläger, der vom 01.07.1997 bis 28.02.1998 als Wehrpflichtiger seinen Dienst bei der Bundeswehr leistete, machte einen während eines wehrdienstbedingten Marsches am 16.07.1997 eingetretenen Überlastungsschaden (Tragen eines schweren Rucksacks während einer mehrtägigen Geländeübung) geltend. Zunächst wurde im Bundeswehrkrankenhaus U. ein Supraspinatussehnensyndrom des rechten Schultergelenks und anlässlich der stationären Behandlung vom 22.01 bis 10.02.1998 eine Plexus-brachialis-Läsion unklarer Genese diagnostiziert. Auf Antrags des Klägers anerkannten die Wehrbereichsverwaltung V unter Zugrundelegung des truppenärztlichen Gutachtens von Dr. M. mit Bescheid vom 24.04.1998 und das Versorgungsamt Ulm unter Zugrundelegung der versorgungsärztlichen Stellungnahme der Medizinaldirektorin St. mit Bescheid vom 17.06.1998 “Reizzustände des Nervenwurzelgeflechts des rechten Armes„ als Wehrdienstbeschädigungsfolgen. Die Gewährung von Heilbehandlung wurde ebenso wie eine Beschädigtengrundrente abgelehnt. Nach Einholung des Gutachtens des Prof. Dr. Dr. Sp. verurteilte das Sozialgericht Ulm (Urteil vom 20.04.2000, S 5 VS 2267/98) die Bundesrepublik Deutschland zur Anerkennung weiterer Wehrdienstbeschädigungsfolgen. In Ausführung stellten die Wehrbereichsverwaltung V und das Versorgungsamt Ulm mit ihren Bescheiden vom 15.08.2000 und 12.03.2001 ein “Impingement-Syndrom der rechten Schulter bei chronischer Bursitis subdeltoidea rechts„ fest. Die Ablehnung einer Beschädigtengrundrente beruhte darauf, dass nach den eingeholten Gutachten die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) auf nur 10 vom Hundert (v. H.) eingeschätzt worden war.
Nachdem der Kläger sein im Wintersemester 1997/1998 an der Fachhochschule E. begonnenes Studium zum Mechatroniker im S. Semester 2001 abgebrochen hatte, studierte er vom 01.09.2002 bis zum 28.02.2007 an der Fachhochschule A. und schloss dieses teilweise vom Landratsamt G. - Aufnahme- und Eingliederungsamt - mit Bescheiden vom 15.03.2004, 09.12.2005 und 08.06.2006 geförderte Studium als Diplom-Ingenieur (FH) Optoelektronik ab (Stellungnahme des Landratsamts G. - Aufnahme- und Eingliederungsamt - vom 08.03.2012, Diplomurkunde der Fachhochschule A. vom 04.04.2007). Er war ab 01.03.2007 bei der Firma M. K. J. beschäftigt, für Tätigkeiten im Einsatzbereich als Engineer Systemtechnik eingestellt und wurde als überbetrieblicher Mitarbeiter der C. AG überlassen (§ 2 des Arbeitsvertrages vom 23.02.2007, Arbeitszeugnis vom 18.07.2007). Mit Schreiben vom 21.06.2007 kündigte die Firma M. K. J. das Arbeitsverhältnis in der Einarbeitungsphase zum 07.07.2007 und zahlte bis dahin Arbeitsentgelt.
Der Kläger durchlief vom 21.06.2007 bis zum 12.07.2007 in der Reha-Klinik M. Bad W. eine von der AOK - Die Gesundheitskasse N.-F. - bewilligte stationäre Rehabilitationsmaßnahme. Laut Entlassungsanzeige des Dr. M., Chefarzt der Reha-Klinik M. Bad W., vom 11.07.2007 erfolgte die Entlassung als arbeitsunfähig. Im Entlassungsbericht vom 18.07.2007 nannte Dr. M. als Diagnosen einen Zustand nach Druckschädigung des Plexus brachialis, des Nervus axillaris und des Nervus supraspinatus im Sinne einer Tornisterlähmung 1997, Schlafstörungen, Pes planus beidseits sowie einen Zustand nach Humerusfr...