Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Berufskrankheit gem BKV Anl 1 Nr 4105. Mesotheliom der Pleura. arbeitstechnische Voraussetzung. Asbestexposition. Falkensteiner Empfehlungen. Abgrenzung zur BK 4104. gefährdende Tätigkeiten mit Unfallversicherungsschutz gem SGB 7 und nach beamtenrechtlichen Unfallfürsorgevorschriften. Entstörer. Fernmeldetechniker. Bystander. Angestelltenverhältnis. Beamtenverhältnis
Orientierungssatz
1. Für die Annahme einer schädigenden Einwirkung im Rahmen der versicherten Tätigkeit im Rahmen der BK 4105 ist nicht erforderlich, dass eine messtechnisch exakte und jahresgenaue individuell präzise Dosierung der Asbestexposition festgestellt werden kann. Nach den Falkensteiner Empfehlungen (Ziffer 5.4 und 8.2.3) existieren keine konkreten Hinweise, ab welchem Ausmaß bei einer beruflichen Asbestexposition die Voraussetzungen zur Anerkennung eines Mesothelioms als BK 4105 gegeben ist. Vielmehr ist mit größter Akribie jedes Versicherungsverhältnis auf eine auch geringfügige Asbestexposition zu prüfen.
2. Im Unterschied zur Dosisermittlung bei der BK 4104, die auf der Grundlage des BK-Reports "Faserjahre" erfolgt, gibt es bei der BK 4105 keine Expositionsgrenze unterhalb derer berufliche Asbestexpositionen bei den Ermittlungen nicht zu berücksichtigen wären. Eine kummulierte Faserjahrberechnung ist ebenso wenig erforderlich wie die Objektivierung von Brückenbefunden.
3. Liegen bei einem Versicherten sowohl gefährdende Tätigkeiten mit Unfallversicherungsschutz nach dem SGB 7 als auch aus einem Beamtenverhältnis vor, ist zu differenzieren. Grundsätzlich ist bei Versicherungsfällen, die gleichermaßen die Voraussetzungen nach beamtenrechtlichen Unfallfürsorgevorschriften als auch des SGB 7 erfüllen, der Anspruch nach dem SGB 7 subsidiär. Sind allerdings die Voraussetzungen für eine Anerkennung nach dem Beamtenrecht nicht erfüllt, ist der Anspruch aus den Gefährdungszeiten nach dem SGB 7 zu prüfen. Dabei kommt es gerade nicht darauf an, ob die letzte Gefährdung als Beamter bestand.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 20.02.2018 aufgehoben, soweit die Beklagte verurteilt worden ist, der Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin „Lebzeitenleistungsansprüche“ des Versicherten in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Insoweit wird die Klage abgewiesen. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin zwei Drittel der notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin einen Anspruch auf die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 4105 Berufskrankheiten-Verordnung (BKV), Ansprüche auf Hinterbliebenenleistungen sowie auf Lebenszeitleistungsansprüche hat.
Die Klägerin ist hinterbliebene Ehefrau sowie Sonderrechtsnachfolgerin des 1939 geborenen und am 23.11.2014 verstorbenen Versicherten R. S. (im Folgenden: der Versicherte). Der Versicherte nahm ab dem 01.09.1972 eine Tätigkeit als Entstörer bei der Deutschen Bundespost, Fernmeldewesen, auf. Er war zunächst als Angestellter beschäftigt, am 01.10.1978 wurde er verbeamtet.
Am 18.10.2013 zeigte Prof Dr. Fr., R. B. Krankenhaus - Klinik S. G., den Verdacht auf eine Berufskrankheit, wegen eines im Entlassungsbrief vom 09.10.2013 diagnostizierten epitheloides Pleuramesothelioms rechts an. Der Kläger habe ab 1972 als Mitarbeiter der Telekom im Außendienst Asbestkontakt gehabt (Asbest in Fugen von Baufertigteilen). Die Diagnose epitheloides Pleuramesotheliom wurde im weiteren Verlauf mehrfach durch Entlass- und Befundberichte des R. B. Krankenhauses - Klinik S. G. bestätigt. Unter anderem diagnostizierte Prof. Dr. K. im Entlassungsbrief vom 14.05.2014 ein epitheloides Pleuramesotheliom rechts mit ausgedehntem Befall der Pleura pariteali s und Tumorinfiltration im Bereich des Unter- und Mittellappens.
Der Versicherte gab auf Nachfrage gegenüber der Beklagten an, er führe seine Erkrankung auf die zeitweise Beschäftigung in asbestbelasteten Räumen der Deutschen Telekom zurück. Ergänzend legte er eine Bescheinigung des Fernmeldeamtes 2 Stuttgart vom 11.06.1991 vor, wonach er in den asbestbelasteten Räumen in der K.-straße in B. beschäftigt sei bzw. gewesen sei und man diesen Hinweis in die Personalakte aufgenommen habe.
Der Präventionsdienst der Beklagten führte in einer Stellungnahme vom 02.01.2014 zur Arbeitsplatzexposition aus, die Gefahr einer Asbestexposition habe dann bestanden, wenn bei Kabelzieharbeiten die aus Brandschutzgründen eingebauten Asbestsäckchen aus den Mauerdurchbrüchen entfernt und wiedereingebaut worden seien. Diese Arbeiten habe der Versicherte aber nie selbst ausgeführt. Es sei ihm auch nicht erinnerlich, dass er bei diesen Arbeiten in der Vermittlungsstelle anwesend gewesen sei und so als Bystander hätte exponiert werden können. Umfangreiche Messungen der Telekom AG und der Unfallkasse Post und Telekom hätten zudem ergeben, dass bei Arbeiten...