Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Entscheidung der Krankenkasse, die Kosten für eine Operation (hier: Brustverkleinerung) nicht zu übernehmen, ist nicht kausal für die der Versicherten durch die Operation entstandenen Kosten, wenn die Versicherte vor der Entscheidung der Krankenkasse mit der Klinik bereits einen schriftlichen Behandlungsvertrag geschlossen hatte.
2. Eine Mammahyperplasie (übergroße Brust) ist grundsätzlich keine Krankheit iS der gesetzlichen Krankenversicherung.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 29. September 2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Kostenerstattung einer Brustverkleinerung in Höhe von 5.400,00 € streitig.
Die 1987 geborene Klägerin, die bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert ist, ist 158 cm groß und wiegt 48,6 kg. Das Gewicht ihrer Brüste betrug vor der Operation rechts 850 g, links 750 g; sie musste BH-Körbchengröße 70 D tragen.
Am 18. November 2008 unterzeichnete die Klägerin eine privatärztliche Honorarvereinbarung mit der Frauenklinik R. (Bl. 20 Senatsakte). Der am 8. Januar 2009 geplante Operationstermin wurde auf den 11. Mai 2009 verschoben. Die Klägerin beantragte mit Schreiben vom 30. Dezember 2008 bei der Beklagten unter Vorlage ärztlicher Atteste der Allgemeinmedizinerin Dr. B. (eine schwere depressive Entwicklung drohe, die operative Verkleinerung der Brust solle eine Chronifizierung der bestehenden depressiven Entwicklung vermeiden) und des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. D. (sie könne mit größter Wahrscheinlichkeit von einer kosmetischen Operation profitieren und die sehr beeinträchtigenden psychosozialen Belastungen würden dadurch weitgehend eliminiert) die Übernahme der Kosten für eine Brustverkleinerung.
Die Beklagte veranlasste daraufhin eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK). Dr. N. gelangte aufgrund der Untersuchung der Klägerin zu dem Ergebnis, dass keine ausreichende Begründung für die beidseitige Brustverkleinerung zu Lasten der GKV bestehe. Eine sogenannte Gigantomastie liege nicht vor, nur eine minimale Brustptose beidseits bei relativ zur Körpergröße großen Brüsten. Die Klägerin leide an leicht vermindertem Selbstwertgefühl, sozialen Ängsten und sozialem Rückzug, somit keiner eigentlichen psychiatrischen Erkrankung bei minimal depressiver Stimmungslage. Des Weiteren lägen rezidivierende nuchale (auf den Nacken bezogene) Verspannungen bei BWS-Kyphose und ein Zustand nach Appendektomie im Dezember 2008 vor. Vorrangig seien Maßnahmen wie Krankengymnastik, Funktionssport, Thermalgymnastik, Teilnahme an einer Selbsterfahrungsgruppe für Frauen, gegebenenfalls Selbstsicherheitstraining.
Mit Bescheid vom 16. Januar 2009 lehnte die Beklagte daraufhin die Kostenübernahme mit der Begründung ab, die sozialmedizinischen Voraussetzungen für die Brustverkleinerung seien nicht erfüllt.
Mit ihrem dagegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, eine Besserung durch Krankengymnastik sei nicht eingetreten, obwohl sie diese bereits regelmäßig in Anspruch genommen habe. Somit werde auch bestätigt, dass die Fehlbelastung des Rückens durch ihre zu großen Brüste und damit verbundenen Schmerzen Krankheitswert habe. Nur die Brustverkleinerung könne diese Probleme lindern. Funktionssport und Thermalgymnastik kämen für sie nicht in Betracht, da sie aus psychischen Gründen weder einen Badeanzug noch Sportkleidung in der Öffentlichkeit trage. Ihr Problem sei auch keinesfalls mangelndes Selbstwertgefühl, sondern ihre zu große Oberweite, sodass auch die Teilnahme an einer Selbsterfahrungsgruppe oder ein Selbstsicherheitstraining keinen Sinn mache. Das Maß des Notwendigen, auf das die Leistungsgewährung der Krankenkasse beschränkt sei, wäre somit einzig und allein eine Brustverkleinerung.
Sie legte dazu weitere Atteste von Dr. B. (der Eingriff sei keineswegs als “Schönheits-Operation„ zu beurteilen, sondern es zeige sich enormer Leidensdruck, der durch sehr beeinträchtigende psychosoziale Belastungen zu einer depressiven Entwicklung geführt habe) sowie von Dr. D. (die Klägerin sei in ihrer psychischen und sozialen Entwicklung nicht wesentlich beeinträchtigt, zeige allerdings erhebliche Unsicherheit im Kontaktverhalten und ziehe sich daher von sozialen Situationen, in denen sie ihre Körperformen nicht durch Kleidung verbergen könne, von anderen zurück; die Möglichkeiten einer psychotherapeutischen Bearbeitung seien begrenzt, es sei anzunehmen, dass durch einen kosmetischen Eingriff die Verunsicherung und die Irritation in einem Ausmaß rückläufig wäre, dass keine weiteren psychotherapeutischen Maßnahmen mehr erforderlich seien) vor.
Die Beklagte schaltete erneut den MDK ein. Dipl.-Med. L. führte in ihrem Gutachten nach Aktenlage aus, die Klägerin leide an einer Mamma-Hypertrophie beidseits, einer psychischen Beeinträch...