Entscheidungsstichwort (Thema)

Schwerbehindertenrecht. Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Arbeitnehmer. geeigneter Arbeitsplatz. Patientenbegleiter. konkrete Betrachtung im Einzelfall. konkrete Arbeitsplatzgefährdung. Anstreben eines konkreten Arbeitsplatzes

 

Leitsatz (amtlich)

Alleine das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit bedingt für sich alleine nicht die Ungeeignetheit eines Arbeitsplatzes, der durch eine Gleichstellung nach § 2 Abs 3 SGB IX behalten oder erlangt werden soll. Vielmehr ist die Geeignetheit des Arbeitsplatzes von der Behörde und den Gerichten für den jeweiligen Einzelfall konkret zu prüfen (konkrete Betrachtungsweise vgl BSG vom 6.8.2014 - B 11 AL 16/13 R = BSGE 116, 272 = SozR 4-3250 § 2 Nr 6; Fortführung der Senatsrechtsprechung des LSG Stuttgart vom 28.2.2014 - L 8 AL 501/13 = Behindertenrecht 2014, 176).

 

Orientierungssatz

1. Bei der Prüfung, ob der Arbeitsplatz konkret gefährdet ist, ist die arbeitsrechtliche Sicherung zu berücksichtigen, die der behinderte Mensch auf dem konkreten Arbeitsplatz erlangt hat (vgl BSG vom 6.8.2014 - B 11 AL 16/13 R aaO).

2. Ein Anspruch auf Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen zwecks Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes setzt voraus, dass der behinderte Mensch einen konkreten Arbeitsplatz anstrebt (vgl BSG vom 6.8.2014 - B 11 AL 5/14 R = SozR 4-3250 § 2 Nr 5).

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 26.08.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen i.S.d. § 2 Abs. 3 SGB IX hat.

Bei dem Kläger, geboren 1968, deutscher Staatsangehöriger, wurde mit Bescheid des Landratsamts L. vom 20.03.2013 (Blatt 12/13 der Beklagtenakte) wegen einer Gebrauchseinschränkung der rechten Hand ein Grad der Behinderung von 30 seit 30.03.2012 festgestellt. Infolge eines Arbeitsunfalles im Jahr 2010 mit plurifragmentärer intraartikulärer Grundgliedgelenksfraktur am 2. Finger rechts besteht eine ausgeprägte Bewegungseinschränkung mit Beugekontraktur, zuletzt mit funktioneller Einsteifung im Grundgelenk bei 70o im Grundgelenk und 30o im proximalen Interphalagealgelenk (vgl. Auskunft Dr. M., Blatt 24 der Senatsakte; Auskunft Prof. Dr. H., Blatt 48 der Senatsakte). Im Übrigen bestehen Beschwerden im Schulter-Nacken-Bereich (vgl. Auskunft Dr. M., Blatt 25 der Senatsakte).

Der Kläger ist seit dem 01.05.2011 in Teilzeit (27,5 Stunden/Woche) in Wechsel- und Nachtschicht beim Klinikum L. im Personen- und Patientenbegleitdienst (Patientenbegleiter) beschäftigt (Blatt 4 der Beklagtenakte).

Der Kläger beantragte bei der Beklagten am 02.01.2013 (Blatt 1/2 der Beklagtenakte) die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen. In dem von ihm ausgefüllten und der Beklagten vorgelegten Antragsformular (Blatt 3/7 der Beklagtenakte) machte der Kläger u.a. geltend, seit einem Arbeitsunfall im Jahr 2010 leide er unter Rückenschmerzen und den Folgen einer Trümmerfraktur der rechten Hand. Er arbeite nur in Teilzeit, sei Vater von zwei Kindern und wünsche sich eine Absicherung.

Die Beklagte befragte den Arbeitgeber des Klägers, dessen Schwerbehindertenvertretung und dessen Betriebsrat. Diese teilten am 21.10.2013 bzw. 22.10.2013 (dazu vgl. Blatt 24/27, 28/31, 32/36 der Beklagtenakte) mit, die gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers seien bekannt, wirkten sich jedoch auf die Tätigkeit des Klägers nicht aus. Der Arbeitsplatz des Klägers sei behinderungsgerecht gestaltet. Eine Gefährdung des Arbeitsplatzes aufgrund behinderungsbedingter Auswirkungen oder sonstiger Gründe liege nicht vor.

Nachdem sich der Kläger auf Aufforderungen, seinen Antrag auf Gleichstellung näher zu begründen (Schreiben vom 08.10.2013), nicht geäußert hatte und nach entsprechenden Hinweisen, versagte die Beklagte die Gleichstellung nach § 66 SGB I aufgrund fehlender Mitwirkung (Bescheid vom 17.12.2013, Blatt 38 der Beklagtenakte).

Der Bevollmächtigte des Klägers übersandte mit Schreiben vom 27.12.2013 eine Erklärung des Klägers mit weiteren Ausführungen zur Begründung des Antrags (Blatt 41/42 der Beklagtenakte). Der Kläger gab u.a. an er habe anhaltende starke Schmerzen. Er könne aufgrund der Schmerzen seine Hand nicht voll nutzen und sei somit nicht voll leistungsfähig. Darüber hinaus erhob der Kläger am 20.01.2014 (Blatt 43 der Beklagtenakte) Widerspruch zu dessen Begründung er darauf verwies, er habe vorgetragen, warum und weshalb sich seine Behinderung auf die täglich Arbeit auswirke. Seine Leistungsfähigkeit sei schmerzbedingt eingeschränkt und er sei nicht mehr in der Lage, die rechte Hand mit voller Kraft einzusetzen.

Mit Bescheid vom 05.02.2014 (Blatt 45 der Beklagtenakte) in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.02.2014 (Blatt 46/49 der Beklagtenakte) lehnte die Beklagte den Antrag auf Gleichstellung ab. Der Kläger könne seinen arbeitsve...

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