Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Unfallversicherungsschutz gem § 2 Abs 1 Nr 17 SGB 7. hauswirtschaftliche Hilfe. Abgrenzung zur Behandlungspflege. Wegeunfall. Abholen eines Rezeptes für einen Pflegebedürftigen
Leitsatz (amtlich)
Holt eine Pflegeperson für den zu Pflegenden ein Rezept ab und erleidet sie auf dem Weg einen Unfall, liegt ein nach dem SGB 7 versicherter Wegeunfall vor, da es sich beim Abholen des Rezeptes beim Arzt und beim Einlösen in der Apotheke um Verrichtungen nach § 14 Abs 4 SGB 11 (hauswirtschaftliche Versorgung - Einkaufen) und nicht um eine unversicherte Behandlungspflege handelt.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 19.09.2018 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 5.766,64 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Zuständigkeit für den Unfall des H.-D. M. (im Weiteren: M.) vom 03.03.2016 sowie die Erstattung der in dieser Unfallsache erbrachten Behandlungsleistungen streitig.
Der 1959 geborene M. ist bei der Klägerin gesetzlich krankenversichert. M. pflegt seine Mutter, welcher zum Unfallzeitpunkt die Pflegestufe II zuerkannt war. Bei ihr bestand ein Pflegebedarf in den Bereichen Körperpflege, welcher in erster Linie durch einen ambulanten Pflegedienst geleistet wurde, sowie im Bereich Ernährung, Mobilität und hauswirtschaftliche Versorgung, welche der M. übernahm, zudem übernahm im Regelfall M. das Einkaufen. M. und seine Mutter wohnen in einem gemeinsamen Haus in getrennten Wohnungen.
Am 03.03.2016 begab sich M. auf den Weg zum Arzt seiner Mutter, um dort ein Rezept für ein benötigtes Medikament zu holen. Eine weitere Besorgung auf dem Weg hatte M. nicht vor und wurde von ihm nicht getätigt. Auf dem direkten Weg zur Praxis nahm ihm ein anderer Verkehrsteilnehmer die Vorfahrt und verursachte so einen Unfall. M. erlitt hierbei eine Claviculafraktur rechts, laterales Drittel, sowie eine eingestauchte mediale Schenkelhalsfraktur rechts (vgl. den Bericht des Krankenhauses St. M. vom 14.03.2016 über die stationäre Behandlung des M. vom 03.03. bis zum 14.03.2016, Bl. 13 bis 15 der Vw.-Akte).
Die Klägerin übernahm als zuständige Krankenkasse zunächst die Kosten für die Heilbehandlung des M. und meldete mit Schreiben vom 05.04.2016 einen Erstattungsanspruch für die Krankenhausbehandlung vom 03.03.2016 bis zum 14.03.2016 in Höhe von 4.971,32 Euro an. Zugleich gab sie bekannt, dass ab dem 21.03.2016 eine Anschluss-Heilbehandlung laufe, deren Kosten noch nicht bekannt seien.
Die Beklagte befragte den M. in einem Fragebogen über den Hergang des Unfalles, wobei M. am 19.04.2016 angab, dass er auf dem Weg zum Arzt gewesen sei, um Rezepte für seine Mutter zu holen. Ein Pkw habe ihm die Vorfahrt genommen, er habe ausweichen müssen und sei dabei gestürzt. Die Beklagte zog des Weiteren eine Kopie des letzten Pflegegutachtens bei (vgl. Bl. 33 bis 41 der Vw.-Akte der Klägerin). Des Weiteren fand am 12.07.2016 ein Hausbesuch des zuständigen Sachbearbeiters der Beklagten bei M. statt (vgl. Gesprächsprotokoll auf Bl. 43 bis 46 der Vw.-Akte der Klägerin).
Mit Bescheid vom 03.03.2016 lehnte die Beklagte gegenüber M. die Anerkennung des Ereignisses vom 03.03.2016 als in der gesetzlichen Unfallversicherung entschädigungspflichtigen Versicherungsfall ab und führte aus, dass Pflegepersonen nach § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VI zum Kreis der in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Personen gehörten. Zur Anerkennung des gesetzlichen Unfallversicherungsschutzes sei erforderlich, dass die Pflegeperson zum Unfallzeitpunkt eine versicherte Tätigkeit verrichtet habe. Diese seien gesetzlich abschließend in § 14 Abs. 4 SGB XI definiert. Das Besorgen eines Rezepts sei Bestandteil der Behandlungspflege, die nur zu dem nach § 14 SGB XI zu berücksichtigenden Pflegebedarf zähle, wenn und soweit sie Bestandteil der Hilfe für die Katalogverrichtungen sei. Dies sei nicht erfüllt. Kostenträger für die Behandlungen sei die Klägerin. Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung könnten nicht erbracht werden. M. legte hiergegen keine Rechtsmittel ein.
Die Beklagte übersandte der Klägerin mit Schreiben vom 22.08.2016 eine Mehrfertigung des Bescheides vom 22.08.2016 und führte des Weiteren aus, dass aktuell vor dem Bundessozialgericht (BSG) ein Verfahren anhängig sei, dass sich mit der Frage auseinandersetze, ob das Besorgen von Medikamenten der versicherten Tätigkeit einer Pflegeperson zuzurechnen sei.
Die Klägerin teilte der Beklagten mit Schreiben vom 22.09.2016 mit, dass das Landessozialgericht (LSG) München im Urteil vom 11.11.2014 (Az.: L 2 U 254/14) entschieden habe, dass das Abholen des Rezeptes beim Arzt und dessen Einlösen in der Apotheke eine Verrichtung im Sinne des § 14 Abs. 4 SGB XI aus dem Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung (Einkaufen) darstelle.
Mit Schreiben vom 30.11.2016 meldete die Klägerin einen weiteren E...