Entscheidungsstichwort (Thema)
Elterngeld. Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland. Versetzung in eine ausländische Tochtergesellschaft nach Kanada. Arbeitnehmerentsendung. Doppelwohnsitz. hinreichend intensive Beziehungen zu Deutschland. Lebensmittelpunkt. Verfassungsrecht. Gleichheitssatz. Schutz der Familie. Sozialstaatsprinzip
Leitsatz (amtlich)
Ein Doppelwohnsitz im In- und Ausland erfordert hinreichend intensive Beziehungen zum Inland. Bei von vornherein auf mehr als ein Jahr angelegten Auslandsaufenthalten reichen die Feststellung der Rückkehrabsicht und Möglichkeit der jederzeitigen Rückkehr in die Wohnung nicht aus, um die Aufrechterhaltung des Inlandwohnsitzes anzunehmen. Auch kurzzeitige Besuche und sonstige kurzfristige Aufenthalte zu Urlaubs-, Berufs- oder familiären Zwecken ändern daran nichts.
Eine Entsendung iSv § 4 SGB 4 liegt nicht vor, wenn ein Beschäftigungsverhältnis mit einer rechtlich selbständigen (ausländischen) Tochtergesellschaft besteht.
Orientierungssatz
1. Die Voraussetzungen des § 4 SGB 4 stellen einen hinreichenden Inlandsbezug als zulässiges Differenzierungskriterium sicher (vgl zum Erziehungsgeld BSG vom 24.6.2010 - B 10 EG 12/09 R = SozR 4-7833 § 1 Nr 11).
2. Zwar können Mitarbeiter nicht beeinflussen, ob sie ins Ausland zu einem anderen Unternehmen versetzt oder entsendet werden. Der Gesetzgeber ist aber deshalb nicht von Verfassungs wegen verpflichtet, sämtliche Fälle mit Bezug zum deutschen Sozialversicherungsrecht in den Anwendungsbereich des BEEG mit einzubeziehen.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 11.12.2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt Elterngeld für den Zeitraum 05.03.2012 bis 04.03.2013.
Die 1972 geborene Klägerin ist verheiratet und Mutter des 2012 geborenen C. (im Folgenden: C). Zuvor war die Klägerin als beamtete Lehrerin tätig. Sie lebte mit ihrem Ehemann und dem gemeinsamen Sohn bis Januar 2012 in einer Mietwohnung in K./T..
Der Ehemann der Klägerin war bis zum 31.12.2011 bei der N. GmbH, einer 100% D. Tochter beschäftigt, anschließend vom 01.01.2012 bis 31.12.2014 bei der D. I. A. S. LLC (DIAS) als Einsatzgesellschaft mit Sitz in Delaware, Vereinigte Staaten, zur Überlassung an AFCC A. F. C. C. Corp (im Folgenden: AFCC) in V., K. Der Ehemann der Klägerin und die N. GmbH schlossen im Dezember 2011 eine Vereinbarung für den Internationalen Einsatz (Versetzung LongTerm), wonach der Ehemann im og Zeitraum in V. bei der AFCC tätig sein sollte. Dienstvorgesetzter ist danach “Director Engineering„ bei AFCC; die geschuldete Arbeitsleistung wird der Einsatzgesellschaft gegenüber erbracht. Die Bestimmungen des bestehenden Arbeitsvertrags gelten fort, soweit die Vereinbarung über den Internationalen Einsatz nichts anderes bestimmte. Neben Vergütungsregelungen, Regelungen zu Arbeitszeit und Urlaubsanspruch sowie Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist vereinbart, dass der Ehemann für die Dauer des Einsatzes im System der sozialen Sicherung des Heimatlandes verbleiben solle, soweit es gesetzliche Vorschriften zulassen. Die N. GmbH führte in einer Bescheinigung vom 09.08.2012 (Blatt 29 Verwaltungsakte) aus, dass eine Entsendung iSv § 4 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) nicht vorliege, da das Arbeitsverhältnis für die Dauer der Entsendung ruhe, die Einsatzgesellschaft zu 100% Träger der Personal- und Sachkosten sei und das tägliche Weisungsrecht der Einsatzgesellschaft obliege. Der Ehemann der Klägerin wurde aufgrund einer Ausnahmevereinbarung nach Art 10 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und K. über Soziale Sicherheit (SVA vom 14.11.1985, BGBl 1988 II S 28; Zusatzabkommen vom 01.12.2003) für die Dauer der Tätigkeit in K. den deutschen Rechtsvorschriften über die Versicherungspflicht in der Renten- und dem folgend in der Arbeitslosenversicherung unterstellt. Die Klägerin begleitete ihren Ehemann mit C nach K..
Mit Bescheid vom 24.08.2012 lehnte die Beklagte die Gewährung von Elterngeld ab, da die Klägerin ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht in Deutschland habe und ihr Ehemann nicht entsandter Arbeitnehmer iSv § 4 SGB IV sei.
Hiergegen erhob die Klägerin am 29.10.2012 Widerspruch. Sie habe ihren Wohnsitz in Deutschland beibehalten. Zudem richteten sich alle Ansprüche ihres Mannes gegen den inländischen Arbeitgeber, die N. GmbH. Mit Widerspruchsbescheid vom 02.11.2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Klägerin habe ihren Wohnsitz im sozialrechtlichen Sinne mit dem Weggang nach K. aufgegeben. Der Schwerpunkt der Lebensverhältnisse und der gewöhnliche Aufenthalt lägen dort. Die Voraussetzungen einer Entsendung seien nicht erfüllt.
Hiergegen richtet sich die am 11.12.2012 zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobene Klage, mit der die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Allein infolge der Dauer des Auslandsaufenthaltes von über einem Jahr habe sie ihren ...