Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Haushaltshilfe wegen Krankenbehandlung
Leitsatz (amtlich)
§ 38 Abs. 1 Satz 3 SGB V erweitert den Anspruch auf Haushaltshilfe auf Situationen nach einem stationären Krankenhausaufenthalt, einer ambulanten Operation, einer "ambulanten" Krankenhausbehandlung (z.B. Chemotherapie) etc., in denen die Weiterführung des Haushalts wegen einer schweren Erkrankung oder einer akuten Verschlimmerung nicht möglich ist. Diese Regelung findet keine Anwendung auf eine dauerhafte und chronifizierte Erkrankung, die aus Sicht des Versicherten eine Haushaltshilfe für einen erheblichen Zeitraum erforderlich macht.
Normenkette
SGB V § 38 Abs. 1 Sätze 1-3, Abs. 2, §§ 2, 2a Abs. 1a, §§ 10, 11 Abs. 2, §§ 23, 27 Abs. 1 Sätze 1, 2 Nr. 4, § 40; SGB IX § 64 Abs. 1 Nr. 6, § 74 Abs. 1; SGG § 54 Abs. 1, 4, §§ 56, 95
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30.01.2023 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch auf eine Haushaltshilfe streitig.
Der 1959 geborene Kläger ist als Mitglied der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) bei der Beklagten ab 01.06.2022 krankenversichert. Er bezieht Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (Rentenbeginn 01.09.2018, Bl. 243 der Verwaltungsakten = 103 der Senatsakten). Das K1 stellte bei dem Kläger einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 ab 01.02.2017 (Bl. 244 der Verwaltungsakten = 182 der Senatsakten) und von 60 ab 30.12.2020 (Bl. 105 der SG-Akten = 184 der Senatsakten), bei seiner 1969 geborenen Ehefrau von 30 seit 21.01.2016 (Bl. 245 der Verwaltungsakten = 164 der Senatsakten) fest. Die Ehefrau des Klägers, die bei der Beklagten als Beschäftigte (kaufmännische Angestellte in Teilzeit, Bl. 101 der Senatsakten) krankenversichert ist, war wiederholt arbeitsunfähig (z.B. Bl. 242 der Verwaltungsakten, 8 der SG-Akten, 104, 159 der Senatsakten).
Der Kläger leidet insbesondere an einer posttraumatischen Belastungsstörung, einer rezidivierenden depressiven Störung (mittelgradigen bis schweren Ausmaßes), einer Persönlichkeitsakzentuierung, einem Tinnitus aurium, einer Coxarthrose beidseits und Adipositas (vgl. z.B. Bescheinigung einer schwerwiegenden chronischen Erkrankung gem. § 62 SGB V des F1 vom 14.03.2008 ≪Bl. 99 der Senatsakten≫ sowie vom 17.02.2023 ≪207 der Senatsakten≫; durch W1 vom 12.08.2014 ≪Bl. 19 der SG-Akten≫; Entlassbericht der G1 vom 07.09.2015 ≪Bl. 203 der Verwaltungsakten≫; sachverständige Zeugenaussage des F1 vom 16.02.2016 ≪Bl. 112 der SG-Akten≫; Bescheinigung des F1 vom 28.01.2019 ≪Bl. 15 der SG-Akten = 108 der Senatsakten≫: „psychisch komplexe Situation“; Entlassbericht des Reha-Zentrums M1 vom 16.04.2019 ≪Bl. 202 der Verwaltungsakten≫; Bl. 39 bis 51 des Gutachtens von G2/ H1/R1 vom 11.01.2020 ≪Bl. 7 der Senatsakten≫; Bescheinigung des F1 vom 14.10.2021 ≪Bl. 70 der SG-Akten = Bl. 92 der Senatsakten≫: „… leidet an einer chronischen seelischen Erkrankung, welche u. a. Gedächtnis und Merkfähigkeit deutlich beeinträchtigt. Diese genannten Funktionsstörungen haben eine Konsistenz seit etwa 2017 …“; Verordnung einer medizinischen Rehabilitation des F1 vom 26.10.2022 ≪Bl. 39 der SG-Akten = 93 der Senatsakten≫: seit vielen Jahren bestehende depressive Symptomatik, inzwischen deshalb berentet, Antriebsmangel, reduzierte Dauerbelastbarkeit, Konzentrationsstörungen, Stressintoleranz; Verordnung von Krankenhausbehandlung des F1 vom 29.11.2022 ≪Bl. 7 der SG-Akten≫: zunehmende depressive Verfassung, Erschöpfung mit Stressintoleranz, Antriebsmangel, Ängste mit Anspannung; Bescheinigung des F1 vom 12.12.2022 ≪Bl. 69 der SG-Akten≫: „Der Patient leidet seit vielen Jahren an einer rezidivierenden depressiven Störung, über den Jahren wechselnden Ausmaßes, zuletzt mittel- bis schwergradig auf dem Boden einer posttraumatischen Belastungsstörung.“; Verordnung von Krankenhausbehandlung des F1 vom 26.01.2023 ≪Bl. 79 der SG-Akten = 97 der Senatsakten≫).
Die Eheleute führen gemeinsam einen Haushalt. In dem Haushalt lebt kein Kind. Der F1 bescheinigte der Ehefrau des Klägers im Juli 2020 die medizinische Notwendigkeit einer Haushaltshilfe für ca. 6 Monate, da ihr die Weiterführung des Haushalts nur eingeschränkt möglich sei (Bl. 236 der Verwaltungsakten).
Am 28.07.2022 beantragte der Kläger für sich und seine Ehefrau eine Haushaltshilfe (Bl. 228 der Verwaltungsakten). Im Antragsvordruck gab er u.a. an, bisher habe er den Haushalt geführt. Er sei aber dauerhaft schwer erkrankt und könne dies daher nicht mehr. Aus diesem Grund sei eine Haushaltshilfe notwendig. Die Beklagte schaltete den Medizinischen Dienst Baden-Württemberg (MD) ein und informierte den Kläger darüber (Bl. 216 der Verwaltungsakten). Der MD P1 nahm am 08.08.2022 (Bl. 213 der Verwaltungsakten) u.a. dahingehend Stellung, dass ein aktueller ärztlicher Antrag mit Angabe der Diagnose für die Versicherte, zur Dauer des Hilfebedarfs ...