Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschäftigung. Arbeitgeber. Weisungsrecht
Leitsatz (amtlich)
Ein Rechtsreferendar, der zur Ausbildung in der Pflichtstation einer Kanzleigemeinschaft von Rechtsanwälten zugewiesen wird und dort aufgrund einer schriftlichen Vereinbarung mit der Anwaltssozietät einen Anspruch auf Vergütung für Leistungen hat, die über den notwendigen Teil der Ausbildung hinausgehen, ist in dieser gesondert vergüteten Tätigkeit bei der Anwaltssozietät versicherungspflichtig beschäftigt.
Normenkette
SGB IV §§ 7, 26 Abs. 2, 3 S. 4; SGB VI § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, S. 2 Nr. 4, § 211 S. 1 Nr. 1
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 12.10.2016 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Erstattung des Arbeitnehmeranteils von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung, die während der Pflichtstation Rechtsberatung im Juristischen Vorbereitungsdienst für ihn entrichtet worden sind.
Der 1986 geborene Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Er absolvierte vom 02.11.2012 bis 30.11.2014 den Juristischen Vorbereitungsdienst in Rheinland-Pfalz und erhielt in diesem Zeitraum durchgehend Unterhaltsbeihilfe iHv monatlich 1.072,93 € brutto. Für den Zeitraum 01.11.2013 bis 31.07.2014 wies ihn der Präsident des Oberlandesgerichts K. zur Ausbildung in der Pflichtstation Rechtsberatung einer Kanzleigemeinschaft von Rechtsanwälten zu, der Beigeladenen zu 1).
Diese bestätigte dem Kläger mit Schreiben vom 21.12.2012 die Ausbildung während der Anwaltsstation. Hierfür wurde dem Kläger ein Betrag iHv 750 € (brutto) pro Wochenarbeitstag, hochgerechnet auf den Monat, zugesagt. Für den Zeitraum 01.11.2013 bis 20.04.2014 erhalte er bei den vereinbarten drei Wochenarbeitstagen 2.250 € brutto monatlich, für den Zeitraum 01.05. bis 31.07.2014 bei fünf Wochenarbeitstagen 3.750 € brutto monatlich. Die Zuweisung durch die Anstellungskörperschaft sei unter der Bedingung erfolgt, dass die Beigeladene zu 1) die Sozialabgaben abführe und die Anstellungskörperschaft von etwaigen Nachforderungen der Sozialversicherungsträger freistelle.
Auf dieser Grundlage war der Kläger vom 01.11. bis 31.12.2013 und vom 01.05. bis 31.07.2014 tätig und erhielt von der Beigeladenen zu 1) eine Vergütung von insgesamt 15.750 € brutto. Die Beigeladene zu 1) führte den Gesamtsozialversicherungsbeitrag ab, wobei sich der Arbeitnehmeranteil zur Rentenversicherung auf 1.488,40 € belief.
Am 02.11.2015 beantragte der Kläger bei der beklagten Krankenkasse die Erstattung seiner Rentenversicherungsbeiträge. Referendare unterlägen gemäß § 5 Abs 1 Satz 1 Nr 2, Satz 2 Nr 4 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Es habe ein einheitliches Ausbildungsverhältnis mit dem Dienstherrn Rheinland-Pfalz bestanden, eine Abgrenzung zwischen der Ausbildungsbeschäftigung und einer von diesen Zwecken freien Beschäftigung lasse sich nicht treffen (unter Hinweis auf Bundessozialgericht ≪BSG≫ 31.05.1978, 12 RK 25/77).
Mit Bescheid vom 03.12.2015 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Von einem einheitlichen Beschäftigungsverhältnis im Rahmen der Ausbildung sei nur auszugehen, wenn die zusätzliche Vergütung durch die Anwaltsstation ohne Rechtsgrund gewährt werde. Da hier eine vertragliche Vereinbarung zur Zahlung des Arbeitsentgelts bestehe, handele es sich um eine Zweitbeschäftigung. Eine Gewährleistungserstreckung der Versorgungsanwartschaft durch die oberste Landesverwaltungsbehörde liege nicht vor.
Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.06.2016, zugegangen am 26.08.2016, zurück.
Hiergegen richtet sich die am 01.09.2016 zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhobene Klage. Zur Begründung wiederholt und vertieft der Kläger sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren. Es habe ein einheitliches Ausbildungsverhältnis bestanden, einziger Dienstherr und allein weisungsbefugt sei das Land Rheinland-Pfalz gewesen, dorthin seien auch Krankheitsmeldungen und Urlaubsanträge zu richten gewesen. Arbeitsgemeinschaften und andere Teile der Ausbildung seien der Arbeit in der Kanzlei stets vorgegangen. Am Ende der Ausbildungszeit habe er ein Ausbildungszeugnis mit Benotung erhalten. Nichts anderes ergebe sich aus der gezahlten Vergütung. Ein Arbeitsverhältnis, abgrenzbar neben dem Ausbildungsverhältnis, habe nicht vorgelegen, ein Arbeitsvertrag sei nicht geschlossen worden. Entsprechend sei auch vom Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg entschieden worden (22.06.2016, L 1 KR 335/15).
Mit Urteil vom 12.10.2016 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Bescheids verurteilt, dem Kläger 1.488,40 € zuzüglich 4% Zinsen ab 01.01.2016 zu zahlen. Der vom Kläger getragene Arbeitnehmeranteil zur Rentenversicherung sei nach § 26 Abs 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV...