Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht. Anfrageverfahren nach § 7a SGB 4. keine Elementenfeststellung des Vorliegens einer abhängigen Beschäftigung (hier: für die Tätigkeit als Prokurist), wenn kraft Gesetzes keine Sozialversicherungspflicht in dieser Tätigkeit besteht
Leitsatz (amtlich)
7a SGB IV berechtigt die DRV Bund nicht zu der Feststellung, dass eine bestimmte Tätigkeit (hier: Prokurist) im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wird, wenn in dieser Tätigkeit kraft Gesetzes keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten-, Kranken-, und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht.
Orientierungssatz
Zum Leitsatz vgl BSG vom 04.06.2009 - B 12 R 6/08 R und vom 11.03.2009 - B 12 R 11/07 R = BSGE 103, 17 = SozR 4-2400 § 7a Nr 2.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 19.08.2016 abgeändert und der Bescheid der Beklagten vom 02.03.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.10.2015 aufgehoben, soweit darin festgestellt wird, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) als Prokurist bei der Klägerin seit dem 12.11.2014 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wird.
Die Klägerin und die Beklagte tragen die Kosten des Rechtstreits in beiden Rechtszügen je zur Hälfte. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.
Der Streitwert wird endgültig auf 5.000 € festgesetzt.
Tatbestand
Streitig ist die Feststellung einer abhängigen Beschäftigung bezüglich der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) als Prokurist für die Klägerin.
Die Klägerin wurde 1977 gegründet und verfolgt den Unternehmenszweck “Verarbeitung und Handel mit Alucobondplatten-Material„ (Handelsregister des Amtsgerichts S., HRB ...). Der Beigeladene zu 1) war bis 11.11.2014 einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Klägerin neben seinem Sohn, der seit 12.11.2014 Alleingesellschafter und Alleingeschäftsführer ist. Der Beigeladene zu 1) bezieht eine Altersvollrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung.
Mit Gesellschafterbeschluss vom 12.11.2014 wurde der Beigeladene zu 1) als Geschäftsführer abberufen. Gleichzeitig wurde ihm ab diesem Tag Prokura erteilt. Die Klägerin schloss am 12.11.2014 mit dem Beigeladenen zu 1) einen Prokuristen-Dienstvertrag. Dieser lautet auszugsweise wie folgt:
“§ 3 Umfang der Tätigkeit
1) Der Prokurist hat sein gesamtes Wissen und Können im Interesse der Gesellschaft einzusetzen.
2) Der Prokurist bestimmt seinen Arbeitsort und seine Arbeitszeit eigenverantwortlich. Bezüglich der Dauer, Ableistung der Arbeitszeit unterliegt der Prokurist keinerlei Beschränkungen.
3) Der Prokurist unterliegt keinen Beschränkungen bezüglich anderer Betätigungen. Er darf insbesondere ein eigenes Handelsgewerbe betreiben oder andere Geschäfte auf eigene oder fremde Rechnung machen.
§ 4 Vergütung
1) Die Vergütung beträgt ab 12.11.2014 monatlich 6.600,00 € brutto.
2) Ein Urlaubs- und Weihnachtsgeld wird nicht gezahlt.
3) Auf weitere Sozialleistungen hat der Prokurist im betriebsüblichen Umfang Anspruch.
4) Ferner darf der Prokurist ein Firmenfahrzeug für private Zwecke benutzen.
5) Weiterhin wird eine Tantieme in folgendem Umfang gewährt:
a. Der Betrieb erfordert einen besonderen, persönlichen Einsatz des Arbeitnehmers. Die zu erwartenden zahlreichen Überstunden und das persönliche Engagement sind durch die monatlichen Gehaltszahlungen nicht abgegolten.
b. Dem Arbeitnehmer wird zu Abgeltung seiner besonderen Leistungen eine gewinnabhängige Tantieme zugesagt. Als Bemessungsgrundlage dient das erwirtschaftete Jahresergebnis.
§ 6 Urlaub
Der Jahresurlaub des Prokuristen beträgt unter Zugrundelegung einer 5-Tage-Woche 30 Arbeitstage.
§ 7 Krankheit
Im Krankheitsfalle wird dem Prokuristen das Gehalt zunächst für 6 Monate ungekürzt weiter bezahlt.
§ 8 Kündigungsfrist/Befristung
Das Arbeitsverhältnis ist unbefristet.„
Am 08.12.2014 beantragte der Beigeladene zu 1) die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status bei der Beklagten. Er gab an, dass er gesetzlich freiwillig krankenversichert und nicht an der GmbH beteiligt sei, keine anderweitige selbständige Tätigkeit oder weitere abhängige Beschäftigung ausübe und die allgemeine Jahresarbeitsentgeltgrenze überschreite. Er habe der Klägerin ein Darlehen in Höhe von rund 1,5 Millionen € gewährt. In seiner Tätigkeit als Prokurist arbeite er durchschnittlich 40 Stunden pro Woche an 5 Arbeitstagen an wechselnden Orten.
Mit Schreiben vom 21.01.2015 hörte die Beklagte die Klägerin und den Beigeladenen zu 1) bezüglich des beabsichtigten Erlasses eines Bescheides über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung und der Feststellung von Versicherungsfreiheit in allen Zweigen der Sozialversicherung an. Es würden sich wesentliche Tätigkeitsmerkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis ergeben. Die Tätigkeit sei mit einem Anstellungsvertrag geregelt. Als Vergütung werde eine feste Pauschale monatli...