Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Statthaftigkeit der Feststellungsklage. Wiederholungsgefahr. Leistungsablehnung. Sozialhilfe. Hilfe zur Pflege. häusliche Pflege. Vorrang der Leistungen der sozialen Pflegeversicherung. andere Leistung. Sicherstellung der häuslichen Pflege im Rahmen des Arbeitgebermodells. Beschäftigung pflegender Angehöriger. unmittelbare Anwendbarkeit des Art 19 UNBehRÜbk
Leitsatz (amtlich)
1. Eine zur Feststellungsklage berechtigende Wiederholungsgefahr kann nur hinsichtlich des geltenden, nicht aber in Bezug auf außer Kraft getretenes Recht vorliegen.
2. Im Rahmen des sog Arbeitgebermodells (§ 63b Abs 4, § 64f Abs 3 SGB XII) kann der Pflegebedürftige nur besondere Pflegekräfte beschäftigen; die Beschäftigung von pflegenden Angehörigen ist nicht möglich.
3. Art 19 UN-Behindertenrechtskonvention (juris: UNBehRÜbk) begründet keinen subjektiven Anspruch des behinderten Menschen auf Gewährung von Sozialleistungen.
Orientierungssatz
Pflegepersonen aus dem privaten Umfeld können durch das Pflegegeld nach § 64a SGB 12 und ggf den Entlastungsbetrag nach § 64i SGB 12 "abgegolten" werden, sofern der Pflegebedürftige entsprechende Leistungen nicht von der sozialen Pflegeversicherung erhält.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 5. Oktober 2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Gewährung eines Persönlichen Budgets für die Betreuung durch seinen Vater im Rahmen des Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII).
Der Kläger ist 1989 geboren. Er lebt gemeinsam mit seinen Eltern in einem Haushalt. Seine Mutter ist zu seiner Betreuerin bestellt. Er leidet unter anderem an einer infantilen Cerebralparese mit erheblicher Entwicklungsverzögerung und Anfallsleiden (Gutachten des Dr. G. vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen [MDK] vom 11. Juli 2003) bzw. schwerster geistiger und körperlicher Behinderung mit Tetraspastik und Skoliose (Arztbrief des Privatdozenten Dr. M. vom 20. Februar 2006). Bei ihm sind ein Grad der Behinderung von 100 und die Merkzeichen G, Bl, H, B, RF und aG anerkannt. Seit 2003 war er in die Pflegestufe III eingestuft. Von der Pflegekasse erhält der Kläger monatliches Pflegegeld nach Pflegestufe III bzw. seit dem 1. Januar 2017 nach Pflegegrad 5; außerdem sind ihm zusätzliche Betreuungsleistungen nach § 45b Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) bewilligt; er erhält ferner Blindengeld sowie Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Die Pflege zu Hause wird überwiegend vom nicht berufstätigen Vater, aber auch von der Mutter durchgeführt.
Der Kläger besucht sei dem 1. September 2011 - mit krankheitsbedingten Unterbrechungen, unter anderem vom 19. August 2014 bis 2. April 2017 - werktags tagsüber einen Förder- und Betreuungsbereich, zunächst der „Beschützenden Werkstätte“ in I. und seit dem 3. April 2017 in H.. Die Kosten hierfür trägt der Beklagte.
Der Kläger beantragte am 12. Juli 2011 bei dem Beklagten für die Sicherstellung seiner Pflege ein Persönliches Budget. Der Beklagte wies in der Folgezeit darauf hin, dass das Persönliche Budget nicht bedeute, dass der Kläger einen Geldbetrag zur Verfügung habe, über den er keine Rechenschaft ablegen müsse. Auch eine Bezahlung von Familienangehörigen sei hiervon nicht möglich. Zum Abschluss einer Zielvereinbarung kam es zwischen den Beteiligten nicht, da der Kläger eine Assistenz als Arbeitgebermodell mit der Beschäftigung seines Vaters zu einem Stundenlohn von 10,00 Euro wünschte.
Der Beklagte lehnte den Antrag auf Gewährung eines Persönlichen Budgets mit Bescheid vom 6. Mai 2013 ab. Sozialhilfe greife nur nachrangig ein; vorrangig sei die Hilfe durch die Eltern. Zudem seien Familienangehörige in der Regel nicht als besondere Pflegekräfte im Sinne des § 65 Abs. 1 Satz 2 SGB XII (in der bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung, im Folgenden a.F.) anzusehen, weswegen keine Vergütung für den Vater zu gewähren sei. Hinsichtlich der Eingliederungshilfe sei eine Bedarfsbemessung derzeit nicht möglich, da noch Informationen hinsichtlich der für die Assistenzkraft anfallenden Kosten nötig seien.
Hiergegen erhob der Kläger am 3. Juni 2013 Widerspruch. Er benötige Leistungen zur Sicherstellung der Pflege, zur eigenständigen Freizeitgestaltung und zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sowie Betreuung und Pflege im häuslichen Bereich. Diese Betreuung, Assistenz und Pflege wünsche er im Wesentlichen durch seinen Vater und zum Teil durch seine Mutter zu erfahren. Es sei nicht einzusehen, dass sein Vater und seine Mutter hierfür nicht entlohnt würden. Die Leistungen der Pflegeversicherung reichten nicht aus. Aus den Pflegeprotokollen ergebe sich ein (zusätzlicher) Bedarf werktags abends und morgens von insgesamt sieben Stunden sowie samstags und sonntags von je zwölf Stunden, insgesamt also 57 (rechnerisch richtig: 59) Stunden pro Woche.
Der Beklagte wies den Widerspruch des Klägers ...