Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. fehlende Antragstellung. Rechtsverlust. keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. mehrtägige Klassenfahrt. Kostenerstattung. eintägige Klassenfahrt von Regelleistung umfasst. kein Sonderbedarf gem § 23 Abs 3 S 1 Nr 3 SGB 2

 

Orientierungssatz

1. Unterbleibt eine Antragstellung nach § 37 Abs 1 SGB 2, weil der Arbeitsuchende nicht weiß, dass der Bezug von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB 2 eine Antragstellung voraussetzt, liegt kein von § 37 Abs 2 S 2 SGB 2 erfasster Fall vor. Ein nicht unmittelbar nach Eintritt der Anspruchsvoraussetzungen gestellter Antrag führt somit zu einem (begrenzten) Rechtsverlust. Ein Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 27 Abs 1 SGB 10 besteht nicht, da es sich bei der Regelung des § 37 Abs 2 S 1 SGB 2 nicht um eine gesetzliche Frist handelt.

2. Für einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für eine eintägige Klassenfahrt (Besuch Musical) fehlt es an einer Anspruchsgrundlage. § 23 Abs 3 SGB 2 erfasst ausdrücklich nur mehrtägige Klassenfahrten. Der durch eintägige Klassenfahrten entstehende Bedarf ist kein Sonderbedarf gem § 23 Abs 3 S 1 Nr 3 SGB 2, sondern von der Regelleistung umfasst.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 23.03.2010; Aktenzeichen B 14 AS 6/09 R)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23. Oktober 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung von Kosten für eine mehrtägige Klassenfahrt und für einen eintägige Besuch eines Musicals streitig.

Die im November 1988 in Thailand geborene Klägerin, die seit 12. September 2005 Schülerin der T G D ist, bildet zusammen mit ihrer Mutter, einer Halbschwester und dem Ehemann ihrer Mutter (im Folgenden GS) eine Bedarfsgemeinschaft, die seit 1. Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bezieht - entsprechend dem Weiterbewilligungsantrag vom 8. April 2005 (Bl. 61 VA) für die Zeit vom 1. Mai bis 31. Oktober 2005 auf Grund des bestandskräftigen Bescheids vom 22. April 2005 (Bl. 65 VA).

Am 25. August 2006 beantragte GS die Erstattung der Kosten für den Schullandheimaufenthalt der Klägerin in C/G vom 23. September bis 2. Oktober 2005 in Höhe von 271 € sowie des eintägigen Besuchs des Musicals "Mamma Mia" am 3. Mai 2006 in Höhe von 32,40 €. Mit - an GS adressierten - Bescheid vom 30. August 2006 lehnte die Beklagte die Übernahme dieser Kosten mit der Begründung ab, der Antrag habe vor Antritt der Fahrten gestellt werden müssen; zudem seien die Kosten bereits beglichen, sodass der Bedarf aus eigenen Mitteln habe gedeckt werden können. Mit seinem Widerspruch machte GS geltend, er habe erst durch einen Zeitungsartikel von der Leistungspflicht der Beklagten erfahren und auch nicht über die Mittel verfügt, sondern seinen bereits überzogenen Dispo-Kredit weiter belastet.

Mit - wiederum an GS adressierten - Widerspruchsbescheid vom 15. September 2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie führte zur Begründung aus, der Sonderbedarf des § 23 Abs. 3 SGB II sei personenbezogen und stehe daher nur der Stieftochter des Widerspruchsführers zu. Zwar sei diese zum Zeitpunkt der Zahlungsverpflichtung hilfebedürftig gewesen, die Kosten seien damals jedoch anderweitig gedeckt worden, sodass im Zeitpunkt der Antragstellung kein - gegenwärtiger - Bedarf mehr bestanden habe. Hinsichtlich der eintägigen Klassenfahrt (Besuch des Musicals) gelte, dass derartige Ausfahrten nicht als Sonderbedarf nach § 23 Abs. 3 SGB II anerkannt und daher von der Regelleistung umfasst seien.

Hiergegen hat GS - unter späterer Vorlage einer Vollmacht - für die Klägerin am 21. September 2006 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben und am bisherigen Begehren festgehalten.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 23. Oktober 2007 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, die Kosten für den Schullandaufenthalt seien zwar grundsätzlich nach § 23 Abs. 3 SGB II erstattungsfähige Leistungen. Vorliegend komme ein Erstattung jedoch nicht in Betracht, weil es sich um einen Anspruch für einen zurückliegenden Bedarf handele. Eine Bedarfsdeckung für die Vergangenheit sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 30. April 1992 - 5 C 12/87) zum Bundessozialhilfegesetz (BSHG) nicht zulässig. Der Grundsatz, dass eine Bedarfsdeckung für die Vergangenheit nicht möglich sei, gelte auch für die Leistungen nach dem SGB II. Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die eintägige Klassenfahrt ergebe sich schon aus dem Wortlaut des § 23 Abs. 3 SGB II nicht. Dieser Bedarf stelle keinen Sonderbedarf dar und sei durch die Regelleistung gedeckt.

Das SG hat im Tenor die Berufung unbeschränkt zugelassen, dazu in den Entscheidungsgründen ausgeführt: "Die Berufung war zuzulassen, da die Rechtsfrage der Erstattung von eintägigen Schulausflügen, soweit ersicht...

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