Entscheidungsstichwort (Thema)
Schwerbehindertenrecht. rückwirkende Feststellung eines höheren Grads der Behinderung. sozialgerichtliches Verfahren. Ablehnung eines Antrags auf Anforderung eines weiteren Befundberichts
Orientierungssatz
1. Erhöht oder vermindert sich der Grad der Behinderung (GdB) um wenigstens 10, ist eine durch Verwaltungsakt erfolgte GdB-Feststellung auf Antrag - auch rückwirkend - aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl BSG vom 22.10.1986 - 9a RVs 55/85 = BSGE 60, 287 = SozR 1300 § 48 Nr 29).
2. Stellt die Klägerin im sozialgerichtlichen Verfahren einen Antrag auf Anforderung eines Befundberichts der behandelnden Ärztin, um ihren Gesundheitszustand zu einem bestimmten Zeitpunkt zu belegen, ist eine dahin gehende Beweiserhebung offenkundig überflüssig, wenn dem Gericht im Hinblick auf diesen Zeitraum bereits ein zeitnaher Befundbericht der Ärztin (hier aus einem Rentenverfahren) vorliegt.
Normenkette
SGB X § 48 Abs. 1; SGB IX § 2 Abs. 1 S. 1, § 69 Abs. 1 Sätze 4-5, Abs. 3; SGG §§ 103, 106a
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 28. Januar 2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50 nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) für die Zeit vom 01.03.2004 bis 17.01.2007.
Die 1949 geborene Klägerin stellte erstmals am 11.09.2001 einen Antrag nach dem Schwerbehindertengesetz.
Mit Bescheid vom 11.12.2001 stellte das Versorgungsamt F. den GdB mit 20 seit 11.09.2001 fest. Die Prüfung der ärztlichen Unterlagen habe ergeben, dass folgende Funktionsbeeinträchtigungen vorlägen: Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule; Bandscheibenschaden; Harninkontinenz. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 14.03.2002 zurückgewiesen.
Mit Schriftsatz vom 18.01.2007 stellte der Bevollmächtigte der Klägerin Antrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf Überprüfung des bindenden Bescheides vom 11.12.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.03.2002. Eine Begründung hierfür wurde trotz Aufforderung des Landratsamts B.-H. - Versorgungsamt - (VA) vom Bevollmächtigten der Klägerin nicht abgegeben.
Mit gleichem Schreiben vom 18.01.2007 stellte der Klägerbevollmächtigte einen Verschlimmerungsantrag und machte als weitere Erkrankungen "Leber-CA und Bandscheibenvorfall mit Operation 2005" geltend. Als behandelnde Ärztin gab er die Ärztin für Allgemeinmedizin S. an.
Das Landratsamt B.-H. - Versorgungsamt - (VA) holte den Befundbericht der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. S. ein, die verschiedene Facharztberichte beifügte.
Nach Einholung der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 05.07.2007 hob das VA mit Bescheid vom 23.07.2007 den Bescheid vom 11.12.2001 gemäß § 48 SGB X auf, da in den tatsächlichen Verhältnissen, die beim Erlass dieses Bescheides vorgelegen hätten, eine wesentliche Änderung eingetreten sei. Die Prüfung der ärztlichen Unterlagen habe ergeben, dass folgende Funktionsbeeinträchtigungen vorlägen: Lebererkrankung (in Heilungsbewährung), Teilverlust der Leber, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, operierter Bandscheibenschaden, Harninkontinenz. Der GdB wurde mit 100 seit 18.01.2007 festgestellt.
Mit Bescheid vom 24.07.2007 entsprach das VA dem am 18.01.2007 eingegangenen Antrag auf Erteilung des Rücknahmebescheides nach § 44 SGB X nicht. Zur Begründung wurde ausgeführt, mit Bescheid vom 11.12.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.03.2002 sei ein GdB von 20 festgestellt worden. Mit Antrag vom 18.01.2007 sei um Überprüfung dieses Bescheides gebeten worden. Die Überprüfung habe ergeben, dass die Voraussetzungen für die Erteilung eines Rücknahmebescheides nach § 44 SGB X nicht erfüllt seien.
Mit Schriftsatz vom 26.07.2007 legte der Bevollmächtigte der Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 24.07.2007 ein, der trotz Erinnerung nicht begründet wurde. Mit Widerspruchsbescheid vom 28.11.2007 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Dagegen erhob der Bevollmächtigte der Klägerin Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG, S 10 SB 6260/07). Das Verfahren ruht.
Mit weiterem Schriftsatz vom 26.07.2007 stellte der Bevollmächtigte der Klägerin den hier streitigen Antrag nach § 48 SGB X dahingehend, dass die Verhältnisse, die dem Bescheid vom 11.12.2001 zugrunde gelegt hätten, sich zu einem späteren Zeitpunkt wesentlich geändert hätten. Eine weitere Begründung hierzu wurde nicht abgegeben.
Das VA teilte der Ärztin für Allgemeinmedizin S. mit, es sei eine Überprüfung des früheren Bescheides beantragt worden, weshalb um eine Befundbeschreibung für die Zeit ab 2001 gebeten werde. Hierzu teilte die Ärztin am 07.08.2008 mit, die Patientin sei wegen des LWS-Syndroms bei Skoliose und Osteochondrose im Alltag nie ohne Beschwerden gewesen. Belastungen wie langes Stehen und schweres Hebe...