Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Zulässigkeit. Anhörungsrüge. Gebot des rechtlichen Gehörs. Begründungspflicht innerhalb der Einlegungsfrist. Beurteilungsfehler. Einwand fehlender Validierung
Orientierungssatz
1. In einer Anhörungsrüge müssen die Umstände, aus denen sich die entscheidungserhebliche Verletzung des rechtlichen Gehörs durch das Gericht ergibt, schlüssig aufgezeigt werden. Dazu ist insbesondere auch darzulegen, weshalb ohne den Gehörsverstoß eine günstigere Entscheidung nicht ausgeschlossen werden kann.
2. Die Anhörungsrüge ist innerhalb der kurzen Frist des § 178a Abs. 2 S. 1 Hs. 1 SGG nicht nur bei Gericht einzulegen, sondern auch zu begründen.
Tenor
Die Anhörungsrüge gegen den Beschluss des Senats vom 06. Dezember 2012 (Aktenzeichen L 1 KR 184/11 ER) wird als unzulässig verworfen.
Der Beigeladene trägt die Kosten des Anhörungsrügeverfahrens mit Ausnahme der Kosten des Antragsgegners, welche dieser selbst zu tragen hat.
Gründe
Eine Anhörungsrüge ist nur zulässig, wenn eine entscheidungserhebliche Verletzung des rechtlichen Gehörs durch das Gericht dargelegt wird (§ 178 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 5 Sozialgerichtsgesetz - SGG - in der ab dem 1.7.2008 geltenden Fassung von Art 12 Nr. 8 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts vom 12.12.2007, BGBl I 2840).
Die Umstände, aus denen sich die entscheidungserhebliche Verletzung des rechtlichen Gehörs durch das Gericht ergibt, müssen schlüssig aufgezeigt werden (vgl. Bundessozialgericht - BSG - B. v. 07.4.2005 - B 7 a AL 38/05 R, SozR 4-1500 § 178 a Nr. 2; B. v.23.10.2009 - B 1 KR 2/09 C -). Dazu ist insbesondere auch darzulegen, weshalb ohne den Gehörsverstoß eine günstigere Entscheidung nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. Leitherer in Meyer Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 178 a RdNr. 6b).
Mit dem Erfordernis der Darlegung bürdet das Gesetz dem Rügeführer die Substantiierungs- und Darlegungslast auf. Dieser muss schlüssig ausführen, inwiefern sich der behauptete Verstoß des Gerichts auf dessen Entscheidung ausgewirkt hat, er also (rechtlich) kausal geworden ist. Die Begründung muss daher zunächst angeben, welches Vorbringen nicht berücksichtigt worden ist bzw. bei Verhinderung eines Vorbringens darlegen, was der Beteiligte bei Beachtung von Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz - GG - vorgetragen hätte. Darüber hinaus muss grundsätzlich aufgezeigt werden, in welcher Weise und inwieweit sich das übergangene bzw. verhinderte Vorbringen des Rügeführers auf die angegriffene Entscheidung ausgewirkt hat. Nur wenn schließlich dargelegt werden kann, dass die Entscheidung durch den Anhörungsfehler zu Lasten des Rügeführers beeinflusst worden ist, er also beschwert ist, sind alle inhaltlichen Begründungserfordernisse erfüllt. Ob die behaupteten Umstände vorliegen und tatsächlich entscheidungserheblich geworden sind, ist dagegen eine Frage der Begründetheit (vgl. Berchtold in Hennig, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 13. Ergänzungslieferung, § 178 a Rdnr. 127).
Die Darlegungsanforderungen können nur innerhalb der Einlegungsfrist nach § 178 a Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGG wirksam erfüllt werden. Dies folgt aus § 178 a Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGG i.V.m. § 178 a Abs. 2 Satz 5 SGG. Demgemäß ist "die Rüge" innerhalb der Frist nach § 178 a Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGG zu erheben und "muss" u. a. das "Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen". Danach ist die Angabe der maßgeblichen Gründe schon dem Wortlaut nach integraler Teil der Rüge selbst und deshalb mit ihr dem Fristenlauf nach § 178 a Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGG unterworfen. Dies wird auch durch die Regelungssystematik bestätigt, die für die Anhörungsrüge - anders als etwa § 160 a Abs. 2 Satz 1 SGG für die Nichtzulassungsbeschwerde - keine eigene Begründungsfrist vorsieht. Daraus wird deutlich, dass die Anhörungsrüge innerhalb der kurzen Frist des § 178 a Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGG nicht nur bei Gericht einzulegen, sondern auch zu begründen ist. Schließlich belegt dies auch die Entstehungsgeschichte der mit dem Anhörungsrügengesetz vom 9.12.2004 (BGBl I 3220) eingeführten Norm, die an der ursprünglichen Fassung von § 321a ZPO orientiert war und trotz des leicht unterschiedlichen Wortlauts - "Rügeschrift" anstelle von "Die Rüge ist schriftlich … zu erheben" - insoweit nicht auf eine Änderung der Rechtslage abzielte (vgl. § 321a Abs. 2 Satz 1 ZPO in der am 1.1.2002 in Kraft getretenen Fassung des ZPO-Reformgesetzes vom 27.7.2001, BGBl I 1887 und BT-Drucks 15/3706 S 13, 16). Bezweckt ist damit ein Ausgleich zwischen dem Interesse an der Durchbrechung der Rechtskraft zur Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art 103 Abs. 1 GG einerseits und dem Interesse der anderen Verfahrensbeteiligten an einem zügigen Eintritt der Rechtskraft andererseits (vgl. BT-Drucks 15/3706 S 13). Diesem Interessenausgleich wird durch Fristen und andere Anforderungen an die Gehörsrüge Rechnung getragen (vgl. BVerfGE 107, 395, 412). Ohne fristgerech...