Entscheidungsstichwort (Thema)
Zugunstenüberprüfung. Überprüfung. Fremdrentengesetz. Vertrauensschutz. Vormerkungsbescheid
Leitsatz (amtlich)
Die Rücknahme des bestandskräftigen Regelaltersrentenbescheid nach § 44 SGB X kann weder für die Vergangenheit noch für die Zukunft verlangt werden, wenn der Bescheid allein wegen der unterbliebenen vollständigen Aufhebung des bindenden Vormerkungsbescheids (hier unter Berücksichtigung von FRG-Zeiten) objektiv rechtswidrig ergangen ist, im Übrigen jedoch bei seinem Erlass der materiellen Rechtslage entsprach.
Tenor
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 16. Februar 2023 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X über eine höhere Regelaltersrente des Klägers unter Berücksichtigung der von diesem in der DDR zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten nach den Vorschriften des FRG.
Der 1940 geborene Kläger reiste 1984 aus der DDR in die Bundesrepublik ein. Mit Bescheid vom 19. April 1985 stellte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (im Folgenden ebenfalls als Beklagte bezeichnet) für den Kläger Beitragszeiten nach den Vorschriften des FRG für die Zeit vom 1. September 1959 bis 8. Februar 1984 fest. Der Bescheid der Beklagten vom 8. Januar 1999 hob, sofern in der Vergangenheit Ausbildungszeiten bis zur Vollendung des 17. Lebensjahres anerkannt wurden, einen entsprechenden Bescheid auf. Als rentenrechtliche Zeiten wurden diejenigen vom 1. März 1971 bis 31. August 1982 insoweit aufgehoben, als Arbeitsverdienste nur bis zu einem Betrag von monatlich 600 Mark berücksichtigt werden könnten. Die Zeit vom 1. September 1960 bis 15. August 1964 wurde als Beitragszeit abgelehnt, weil es sich um Zeiten der Schul-, Fach- oder Hochschulausbildung gehandelt habe. Der Feststellungsbescheid des Zusatzversorgungsträgers vom 20. Juli 1999 stellte bestandskräftig rentenrechtliche Zeiten der Zusatzversorgung des Klägers nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) fest, welche die Beklagte u.a. in dem einer Rentenauskunft beigefügten Versicherungsverlauf vom 22. September 1999 nach Maßgabe von § 256a SGB VI berücksichtigte.
Auf Antrag des Klägers gewährte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 10. März 2006 auf der Grundlage von 47,1420 persönlichen Entgeltpunkten Regelaltersrente mit Beginn ab 1. Januar 2006. Ab 1. April 2006 wurden danach zunächst 1.272,81 Euro monatlich gezahlt. Im Versicherungsverlauf berücksichtigte die Beklagte Zeiten aus dem Sozialversicherungsausweis der DDR (SVA) und nach dem AAÜG, jedoch keine Zeiten nach dem FRG. Für die Zeit vom 28. Februar 1984 bis 15. Oktober 1984 wurden Zeiten der Vertreibung/Flucht angenommen. Mit Bescheid vom 5. April 2006 stellte die Beklagte die Regelaltersrente des Klägers im Hinblick auf Feststellungen nach dem BerRehaG von Beginn an neu fest mit 49,0264 persönlichen Entgeltpunkten und einem Nettozahlbetrag von 1.322,05 Euro.
Am 3. Juni 2015 und am 6. August 2015 wandte sich der Kläger unter Bezugnahme auf das Verfahren beim BVerfG zum Az. 1 BvR 713/13 an die Beklagte und bat um Überprüfung seiner Rentenbescheide. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18. Oktober 2018 ab. Die Rente sei in zutreffender Höhe festgestellt worden. Die Verfassungsbeschwerde sei vom BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen worden.
Dagegen wandte sich der Kläger mit seinem Widerspruch vom 30. Oktober 2018 und nahm Bezug auf den Vormerkungsbescheid vom 19. Mai 1985, in welchem Beitragszeiten nach dem FRG ohne Kürzung anerkannt worden seien. Spätere Bescheide hätten diesen Bescheid nicht aufgehoben. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 31. Januar 2019 zurück.
Am 22. Februar 2019 hat der Kläger beim Sozialgericht Potsdam Klage erhoben. Der Bescheid vom 19. April 1985 habe nach wie vor Bestandskraft. Für die Berechnung seiner Rente gelte weiterhin das FRG. Die Regelungen des RÜG beträfen nicht seine Rechtsstellung. Deshalb sei nicht relevant, inwieweit § 256a SGB VI verfassungskonform sei. Die Änderungen der §§ 15, 17 FRG würden für ihn als Flüchtling aus der DDR vor dem Mauerfall nicht gelten, weil sie nicht mit Wirkung für die Vergangenheit, sondern nur für die Zukunft nach Herstellung der deutschen Einheit ergangen seien.
Die Beklagte hat mit Bescheid vom 26. Juni 2019 den Bescheid vom 19. April 1985 mit Wirkung für die Zukunft ab 1. Juli 2019 aufgehoben. Der Bescheid sei Gegenstand des anhängigen sozialgerichtlichen Verfahrens (§ 96 SGG). Dagegen hat der Kläger Widerspruch eingelegt. Er meint, bis zur Aufhebung sei der bis dahin bestandskräftige Bescheid zu berücksichtigen. Er genieße insoweit Vertrauensschutz.
Das Sozialgericht Potsdam hat die Klage durch Urteil vom 16. Februar 2023 abgewiesen. In den nach Herstellung der deutschen Einheit ergangenen Vormerkungsbescheiden seien die Feststellungen nach dem FRG bereits a...