Entscheidungsstichwort (Thema)

Asylbewerberleistung. Grundleistung. Unterkunft. Anspruch eines Hotelbetreibers gegen den Leistungsträger auf Zahlung offener Rechnungen für die Beherbergung von Asylbewerbern. Vorliegen einer Kostenübernahmeerklärung. öffentlich-rechtliche Zusage auf Vornahme eines Realakts. Selbstverpflichtung mit Bindungswille. Einstweilige Anordnung. Hinterlegung. Beherbergungsvertrag

 

Leitsatz (amtlich)

Es handelt sich bei Kostenübernahmeerklärungen für eine Unterkunft für Asylbewerber nicht lediglich um die Bekanntgabe einer bestimmten verwaltungstechnischen Abwicklung des Zahlungsverkehrs, sondern um die Zusage, einen Realakt vorzunehmen, also dem Betreiber der Unterkunft für jeden Tag des tatsächlichen Aufenthalts des Asylbewerbers in dem Hotel den dort vorgesehenen günstigsten Tarif, höchstens jedoch 50 Euro, zu zahlen.

 

Normenkette

SGG § 86b Abs. 2 S. 2; BGB § 372

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 8. Dezember 2015 geändert.

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, an die Antragstellerin 100.000,00 Euro zu zahlen. Der Antragsgegner ist berechtigt, den Betrag gemäß § 372 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch zu hinterlegen.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt 9/10, die Antragstellerin 1/10 der Kosten des Verfahrens. Der Beigeladene hat keine Kosten zu erstatten und ihm sind keine Kosten zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt von dem Antragsgegner die Zahlung von 118.125 Euro für die Beherbergung von Asylbewerbern.

Die Antragstellerin ist eine Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt). Sie wurde mit notariellem Vertrag vom 23. Juni 2015 gegründet und am 6. Juli 2015 in das Handelsregister eingetragen. Sie beherbergt in dem Gebäude des P Asylbewerber. Eine Gewerbeanmeldung erfolgte am 30. Juli 2015 beim zuständigen Bezirksamt für den “Betrieb eines Hotels Garni, Beherbergung von Asylbewerber mit Hostel-Gutschein von LaGeSo„. Der Geschäftsführer und (einzige) Gesellschafter der Antragstellerin ist der Ehemann bzw. Vater der Eigentümerinnen der Grundstücke, auf denen sich das Hotel befindet. Über die zwischen den Eigentümerinnen bestehende Gesellschaft Bürgerlichen Rechts wurde am 1. Mai 2015 das Insolvenzverfahren eröffnet. Den Eigentümerinnen wurde wegen gewerblicher Unzuverlässigkeit bestandskräftig die Gaststättenerlaubnis entzogen und gegen sie erweiterte Gewerbeuntersagungen nach § 35 Gewerbeordnung verfügt. Am 23. Juni 2015 schlossen die Eigentümerinnen mit der Antragstellerin einen Pachtvertrag über die Grundstücke zu einer monatlichen Pacht von 1500,00 Euro. Über die Grundstücke wurde am 6. Juli 2015 die Zwangsverwaltung angeordnet und ein Zwangsverwalter, der Beigeladene, bestellt. Dieser kündigte den Pachtvertrag und focht ihn gleichzeitig wegen Sittenwidrigkeit auf Grund eines seiner Auffassung nach zu niedrigen Pachtzinses an. Eine Klage des Beigeladenen gegen die Antragstellerin auf Herausgabe des Grundstücks und auf Auszahlung der durch die Nutzung zugeflossenen bzw. auf Abtretung noch zufließender Beträge ist unter dem Az. 29 O 380/15 beim Landgericht Berlin anhängig.

Im Folgenden reichte die Antragstellerin bei dem Antragsgegner “mindestens 116 Rechnungen mit einer Gesamthöhe von 133.900,00 Euro„ für die Beherbergung von Asylsuchenden ein, wie der Antragsgegner mit Schreiben vom 12. November 2015 bestätigte. Unter dem Datum 4. September 2015 zahlte er auf diese Rechnungen einen Abschlag in Höhe von 15.775,00 Euro.

Am 13. November 2015 stellte die Antragstellerin bei dem Sozialgericht Berlin einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Begehren, den Antragsgegner zu verpflichten, die offenen Rechnungen in Höhe von 133.900 Euro abzüglich der geleisteten Abschlagszahlung auszugleichen. Eile sei geboten, da ohne Leistungen die Weiterführung der Notunterbringung für Flüchtlinge nicht mehr gewährleistet sei. Es seien Mitarbeiter zu bezahlen und u.a. offene Forderungen der Wasser- und Energieversorger zu begleichen. Entsprechende Mahnungen wurden vorgelegt, ebenso wie beispielhaft eine Rechnung für einen Asylbewerber sowie zwei Kostenübernahmeerklärungen des Antragsgegners. Eine dieser Kostenübernahmeerklärungen ist im Adressfeld an das “P„ gerichtet und hat unter der Überschrift “Kostenübernahme bei Notunterbringung in gewerblich genehmigten Unterkünften„ folgenden Wortlaut:

“Wir übernehmen die Kosten für die Zeit vom 15. 10. 2015 bis 18. 01. 2015 für„ - es folgen Name und Geburtsdatum eines Asylbewerbers - “in Höhe Ihres allgemein ausgewiesenen günstigsten Kostensatzes pro Person und Nacht,

maximal 50,00 €

Kostensätze pro Übernachtung über 50,00 € werden nicht übernommen (…).

Zur Abrechnung benötigen wir neben der Originalkostenübernahme eine Originalrechnung mit Kopie derselben. Auf der Rückseite der Kostenübernahme lassen Sie bitte den Leistungsempfänger den Übernachtungszeitraum mit seiner Unterschrift bestätigen und geben nachstehende Versi...

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