Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Untätigkeitsklage. Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides an den Widerspruchsführer trotz anwaltlicher Vertretung. Kosten des Verfahrens
Orientierungssatz
Die Vorschrift des § 85 Abs. 3 SGG i.V.m. § 37 Abs. 1 S. 2 SGB X eröffnet - insoweit abweichend von § 13 Abs. 3 S. 1 SGB X - der Behörde die Möglichkeit, trotz Bestellung eines Bevollmächtigten den Verwaltungsakt dem Adressaten selbst bekanntzugeben. Allerdings ist auch in diesen Fällen - Bestellung eines Bevollmächtigten und Bekanntgabe des Verwaltungsaktes an den Adressaten - dem Bevollmächtigten zumindest eine Durchschrift zukommen zu lassen (So auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13.07.2007 - L 20 B 16/07 AS).
Tenor
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 4. Februar 2008 geändert. Der Beklagte hat der Klägerin die Hälfte der Kosten der notwendigen außergerichtlichen Auslagen des Rechtsstreits im sozialgerichtlichen Verfahren zu erstatten.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Beklagte hat der Klägerin die Hälfte der Kosten dieses Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Gründe
Die gemäß § 172 und § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der Fassung bis zum 31.3.2008 zulässige Beschwerde der Klägerin, der das Sozialgericht Berlin nicht abgeholfen hat, ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen unbegründet.
Endet der Rechtsstreit wie in diesem Verfahren ohne Urteil, hat das Gericht auf Antrag durch Beschluss zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben (§ 193 Abs. 1 SGG). Diese Entscheidung ist nach sachgemäßem Ermessen zu treffen, wobei ungeachtet der Besonderheiten des sozialgerichtlichen Verfahrens die Erfolgsaussichten der Klage angemessen zu berücksichtigen sind. Allerdings ist der Erfolgsgesichtspunkt nicht der allein entscheidende, und es sind im Einzelfall als Korrektiv auch Veranlassungsgesichtspunkte (also Gründe für die Führung und die Erledigung des Rechtsstreits) zu berücksichtigen.
An diesen Grundsätzen gemessen hat der Beklagte der Klägerin die Hälfte der Kosten des Rechtsstreits vor dem Sozialgericht zu erstatten. Einerseits ist zu berücksichtigen, dass die am 23. März 2007 erhobene Untätigkeitsklage keine Aussicht auf Erfolg hatte, weil über den Widerspruch der Klägerin vom 5. Dezember 2006 zum Zeitpunkt der Erhebung der Klage bereits seit geraumer Zeit eine Entscheidung des Beklagten - nämlich eine Abhilfe mit Bescheid vom 17. Januar 2007 - vorlag. Es wäre auch Aufgabe der Klägerin gewesen, ihrem Bevollmächtigten mitzuteilen, dass sich der Widerspruch damit erledigt hat.
Andererseits hat auch der Beklagte Veranlassung zur Klage gegeben. Durch die Vorschrift des § 13 Abs. 3 S. 1 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB X) ist die Behörde grundsätzlich verpflichtet, sich an den Bevollmächtigten zu wenden, auch wenn dies eine Verständigung zwischen Beteiligten und ihren Bevollmächtigten nicht ausschließt. Zwar eröffnet § 85 Abs. 3 SGG i.V.m. § 37 Abs. 1 S. 2 SGB X - insoweit abweichend von § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB X - der Behörde die Möglichkeit, trotz Bestellung eines Bevollmächtigten den Verwaltungsakt dem Adressaten selbst bekannt zu geben. Die Zustellung des Abhilfebescheides ist auch weder gesetzlich angeordnet noch hier erfolgt, so dass die Vorschrift des § 85 Abs. 3 Satz 2 SGG i.V.m. § 7 Verwaltungszustellungsgesetz keine Anwendung findet. Jedoch ist auch in diesen Fällen bei Bestellung eines Bevollmächtigten und Bekanntgabe des Verwaltungsakts an den Adressaten dem Bevollmächtigten zumindest eine Durchschrift zukommen zu lassen (so zutreffend auch: Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13.07.2007 - L 20 B 16/07 AS-). Wäre das vorliegend erfolgt, so hätte der Bevollmächtigte der Klägerin wohl keine Untätigkeitsklage erhoben.
Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 193 SGG analog.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Fundstellen