Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an eine Ermessensreduzierung auf Null beim Kostenerstattungsanspruch nach selbstbeschaffter Leistung
Orientierungssatz
1. Die Agentur für Arbeit erbringt nach § 16 SGB 2 Leistungen zur Eingliederung in Arbeit gemäß § 35 SGB 3. Im Bereich der Grundsicherung lassen sich daraus aber keine Leistungen zur Sicherung einer selbständigen Tätigkeit herleiten. Danach existiert auch keine Rechtsgrundlage für die Übernahme von Fahrschulausbildungskosten als Teilhabeleistung für behinderte Menschen.
2. Der Grundsicherungsberechtigte hat Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über den von ihm gestellten Antrag.
3. Nach Selbstbeschaffung der begehrten Leistung setzen die Erfolgsaussichten eines etwaigen Kostenerstattungsanspruchs voraus, dass das Ermessen des Grundsicherungsträgers auf Null reduziert ist.
4. Mögliche Ermessensfehler unterhalb dieser Schwelle sind für den Kostenerstattungsanspruch ohne Belang.
5. Eine Ermessensreduzierung auf Null setzt voraus, dass nach dem festgestellten Sachverhalt das Vorliegen von Umständen ausgeschlossen ist, die eine anderweitige Ausübung des Ermessens rechtsfehlerfrei ausschließen (BSG Urteil vom 4. 2. 1988, 11 RAr 26/87).
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 8. Oktober 2014 wird zurückgewiesen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das sozialgerichtliche Klageverfahren abgelehnt. In diesem hat die Klägerin - unter Aufhebung des Bescheides über die Ablehnung von Eingliederungsleistungen vom 21. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2010 sowie des Überprüfungsbescheides des Beklagten vom 12. Dezember 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. April 2013 - die Verpflichtung des Beklagten zur Gewährung der Eingliederungsleistung begehrt.
1.
Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Prozessbeteiligter auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht und nicht mutwillig erscheint. Bei der Abwägung, ob einer Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg zukommt, gebietet Artikel 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) i. V. m. dem in Artikel 20 Abs. 3 GG allgemein niedergelegten Rechtsstaatsgrundsatz und der in Artikel 19 Abs. 4 GG verankerten Rechtsschutzgarantie gegen Akte der öffentlichen Gewalt eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. In der Folge dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überzogen werden, weil das Prozesskostenhilfeverfahren den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bietet, sondern ihn erst zugänglich macht (ständige Rechtsprechung, vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 6. Mai 2009 - 1 BvR 439/08 - zitiert nach juris -; vom 14. März 2003 - 1 BvR 1998/02 - in NJW 2003, 2976; vom 7. April 2000 - 1 BvR 81/00 - in NJW 2000, 1936). Damit muss der Erfolg des Rechtsschutzbegehrens nicht gewiss sein; hinreichende Aussicht auf Erfolg ist nur dann zu verneinen, wenn diese nur entfernt oder schlechthin ausgeschlossen ist. Die hinreichende Erfolgsaussicht ist daher gegeben, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Klägers zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Ist eine Rechtsfrage aufgeworfen, die in der Rechtsprechung noch nicht geklärt, aber klärungsbedürftig ist, muss ebenfalls Prozesskostenhilfe bewilligt werden. Zutreffend führt die Klägerin daher in der Beschwerdeschrift aus, dass bei der Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe auf die Einschätzung der Erfolgsaussichten zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife dieses Gesuchs abzustellen ist und nicht auf den Erkenntnisstand bei Entscheidung der Hauptsache.
Nach Maßgabe dieser Grundsätze bot die erstinstanzliche Rechtsverfolgung - auch zum Zeitpunkt der Bewilligungsreife des Prozesskostenhilfegesuchs - keine hinreichenden Erfolgsaussichten.
Dabei dürfte das Klagebegehren hier so auszulegen sein, dass es der Klägerin darum gegangen ist, den Beklagten zur Rücknahme des Ablehnungsbescheides vom 21. Juli 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2010 zu verpflichten, da nur der Behörde die Kompetenz zukommt, im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) bestandskräftige Bescheide zurückzunehmen (Steinwedel in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, SGB X, 85. EL. 2015, § 44 Rn. 29). Das Begehren dürfte darüber hinaus nur darauf gerichtet gewesen sein, den B...