Entscheidungsstichwort (Thema)

Bestimmtheitserfordernis bei Herabsetzung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für eine Bedarfsgemeinschaft

 

Orientierungssatz

1. Die für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht besteht bereits dann, wenn das Gericht den klägerischen Rechtsstandpunkt auf Grund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend unter zumindest vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist.

2. Die teilweise Aufhebung der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ist wegen Fehlens der nach § 33 Abs. 1 SGB 10 gebotenen hinreichenden Bestimmtheit rechtswidrig, wenn nicht zum Ausdruck gebracht wird, für welches einzelne Mitglied der Bedarfsgemeinschaft und für welchen genauen Leistungszeitraum Leistungen in jeweils welcher Höhe aufgehoben werden.

3. Werden im Verfügungssatz eines Bescheides, der eine Bedarfsgemeinschaft betrifft, die auszuzahlenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts lediglich (neu und zwar niedriger als bisher) beziffert, ohne den Minderungsbetrag auszuweisen und einer konkreten Personen zuzuweisen und wird nur auf den beigefügten Berechnungsbogen verwiesen, so ist im PKH-Verfahren die hinreichende Erfolgsaussicht als gegeben anzusehen, weil das Bestimmtheitserfordernis vor allem auf den Verfügungssatz zu beziehen sein dürfte (Anschluss an LSG Düsseldorf, Beschluss vom 10.10.2007, L 19 B 122/07 AS ER).

 

Tenor

Der Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 27. August 2008 wird aufgehoben.

Der Klägerin wird für das Verfahren erster Instanz ab dem 22. Januar 2008 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten bewilligt.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die nach §§ 172, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Beschwerde ist begründet.

Die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe liegen nach den hierfür einschlägigen §§ 73a SGG, 114 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO) vor. Nach § 114 S. 1 ZPO erhält ein Prozessbeteiligter auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Nach § 73a Abs. 1 S. 1 SGG gelten die Vorschriften der ZPO über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe entsprechend für das sozialgerichtliche Verfahren.

Das Sozialgericht hat im angefochtenen Beschluss zu Unrecht eine hinreichende Erfolgsaussicht im vorstehenden Sinn verneint. Der unbestimmte Rechtsbegriff der hinreichenden Erfolgsaussicht ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) verfassungskonform auszulegen. Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) gebietet in Verbindung mit dem unter anderem in Art. 20 Abs. 3 GG zum Ausdruck gebrachten Rechtsstaatsprinzip und dem aus Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG folgenden Gebot effektiven Rechtsschutzes eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. Hierbei braucht der Unbemittelte allerdings nur einem solchen Bemittelten gleichgestellt zu werden, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt. Dementsprechend darf die Prüfung der Erfolgsaussichten jedenfalls nicht dazu führen, über die Vorverlagerung der Rechtsverfolgung oder -verteidigung ins Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe eben dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 28. November 2007 - 1 BvR 68/07, 1BvR 70/07, 1 BvR 71/07 -, rech. bei juris Rn. 8 ff.). Deshalb dürfen insbesondere schwierige, bislang nicht geklärte Rechts- und Tatfragen im Prozesskostenhilfeverfahren nicht entschieden werden, sondern müssen über die Gewährung von Prozesskostenhilfe auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung im Hauptsacheverfahren zugeführt werden können ( BVerfG a.a.O. und Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. Juli 1993 - 1 BvR 1523/92 -, NJW 1994, 241, 242). Demnach ist ausgehend vom für das Hauptsacheverfahren zugrunde zu legenden Sachantrag eine hinreichende Erfolgsaussicht bereits dann gegeben, wenn das Gericht den klägerischen Rechtsstandpunkt aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder für zumindest vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht gegebenenfalls von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG - Kommentar, 9. Auflage 2008, § 73 a Rn. 7a).

Nach diesen Maßstäben ergeben sich vorliegend hinreichende Erfolgsaussichten. Die im angefochtenen, an die Klägerin gerichteten Änderungsbescheid vom 6. Dezember 2006 enthaltene Teilaufhebung der ursprünglichen Leistungsbewilligung erscheint nicht ohne weiteres rechtmäßig. Die Rechtmäßigkeit des angefoc...

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