Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung einer Adipositas bei der Zuerkennung des Merkzeichens "G"Berücksichtigung einer Adipositas bei der Zuerkennung des Merkzeichens "G"Berücksichtigung einer Adipositas bei der Zuerkennung des Merkzeichens "G"

 

Orientierungssatz

1. In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr ist nach § 146 Abs. 1 S. 1 SGB 9 erheblich beeinträchtigt, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahr für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden.

2. Als ortsübliche Wegstrecke gilt eine Strecke von ca. zwei Kilometern, die in etwa einer halben Stunde zurückgelegt wird.

3. Ist die Funktionsbeeinträchtigung der Beine und der Lendenwirbelsäule mit einem GdB von 40 bewertet und wirken sich diese orthopädischen Behinderungen durch das Hinzutreten einer massiven Adipositas auf die Gehfähigkeit aus, so ist das Merkzeichen "G" zuzuerkennen.

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. August 2015 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat der Klägerin deren notwendige außergerichtliche Kosten für das Berufungsverfahren zu erstatten. Im Übrigen bleibt es bei der Kostenentscheidung des Sozialgerichts.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Zuerkennung des Merkzeichens G (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr).

1988 wurde bei der Klägerin ein Grad der Behinderung (GdB) von 40 festgestellt. Am 24. März 2010 stellte die Klägerin einen Verschlimmerungsantrag, mit dem sie auch das Merkzeichen G begehrte. Der Beklagte stellte mit Bescheid vom 13. Januar 2011 bei der Klägerin einen Grad der Behinderung von 50 fest, lehnte aber die Zuerkennung des Merkzeichens G ab. Auf den Widerspruch der Klägerin setzte der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21. Januar 2012 bei ihr einen Grad der Behinderung von 60 fest, wies aber im Übrigen den Widerspruch zurück. Dem legte er folgende Behinderungen zugrunde:

1. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderung der Wirbelsäule, Wirbelsäulenverformung, Nervenwurzelreizerscheinung der Wirbelsäule, Wachstumsstörung der Wirbelsäule (Scheuermann) (Einzel-GdB von 30),

2. Funktionsbehinderung des Hüftgelenks beidseits und Funktionsbehinderung des Kniegelenks beidseits, Knorpelschäden am Kniegelenk beidseits, Funktionsstörung durch Fußfehlform beidseits, chronisch-venöse Insuffizienz (Krampfaderleiden des Beines) beidseits (Einzel-GdB von 20),

3. Herzrhythmusstörungen, Bluthochdruck bei Adipositas per magna und Zustand nach Magenbypass, Fettstoffwechselstörung (Einzel-GdB von 20),

4. Entzündete Darmwandausstülpungen (Einzel-GdB von 20),

5. Durchblutungsstörung des Gehirns (Einzel-GdB von 10).

Mit ihrer Klage beim Sozialgericht Berlin hat die Klägerin das Merkzeichen G begehrt. Neben Befundberichten hat das Sozialgericht das Gutachten des Orthopäden Dr. P eingeholt, der einen Gesamt-GdB von 70 vorgeschlagen und die Voraussetzungen für das Merkzeichen G bejaht hat. Der Gutachter hat folgende Behinderungen bei der Klägerin festgestellt:

1. Funktionsstörung der Wirbelsäule, Halswirbelsäule und Brustwirbelsäule (Einzel-GdB von 30),

2. Funktionsbehinderung des Hüftgelenks und der Kniegelenke beidseits (Einzel-GdB von 20),

3. Funktionsbehinderung des Ellenbogengelenks (Einzel-GdB von 20),

4. Funktionsbehinderung, verursacht durch Herzrhythmusstörungen, Angina Pectoris und eine kardiale Symptomatik (Einzel-GdB von 20),

5. Funktionsstörung durch entzündliche Darmwandausstülpungen (Einzel-GdB von 20),

6. Funktionsstörung durch Durchblutungsstörung des Gehirns (Einzel-GdB von 10),

7. Funktionsstörung durch psychische Störungen, Depression, Schmerzverarbeitungsstörung (Einzel-GdB von 20).

Dem Gutachten folgend hat das Sozialgericht Berlin mit Urteil vom 25. August 2015 den Beklagten zur Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens G ab 24. März 2010 verpflichtet. Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. August 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen. Ferner wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Beklagten wird nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss zurückgewiesen, da der Senat sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

Das Sozialgericht hat den Beklagten zu Recht zur Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens “G„ verpflichtet, da die Klägerin hierauf eine...

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