Entscheidungsstichwort (Thema)

Grenzen des Prüfungsumfangs durch den Grundsicherungsträger bei einem Überprüfungsantrag zur Höhe der bewilligten Leistung

 

Orientierungssatz

1. Begehrt der Antragsteller im Überprüfungsverfahren nach § 40 Abs. 1 S. 1 SGB 2 bzw. nach § 44 Abs. 1 SGB 10 die Gewährung höherer Grundsicherungsleistungen, so muss der angegangene Leistungsträger in eine erneute Prüfung nur entsprechend dem Vorbringen des Leistungsempfängers eintreten.

2. Dabei darf sich der Grundsicherungsträger ohne jede Sachprüfung auf die Bindungswirkung des ergangenen Leistungsbescheides berufen, wenn sich im Rahmen des Antrags auf Erlass eines Zugunstenbescheides nichts ergibt, was für die Unrichtigkeit der Vorentscheidung sprechen könnte. Im Übrigen korrespondiert ein weitreichendes Überprüfungsbegehren mit entsprechenden Mitwirkungspflichten des Berechtigten.

3. Dies gilt erst recht dann, wenn der Antragsteller sein Überprüfungsbegehren überhaupt nicht konkretisiert.

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 8. Juni 2011 wird zurückgewiesen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i. V. m. § 114 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Prozessbeteiligter auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht und nicht mutwillig erscheint. Bei der Abwägung, ob einer Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg zukommt, gebietet Artikel 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) i. V. m. dem in Artikel 20 Abs. 3 GG allgemein niedergelegten Rechtsstaatsgrundsatz und der in Artikel 19 Abs. 4 GG verankerten Rechtsschutzgarantie gegen Akte der öffentlichen Gewalt eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. In der Folge dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überzogen werden, weil das Prozesskostenhilfeverfahren den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bietet, sondern ihn erst zugänglich macht (ständige Rechtsprechung, vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 6. Mai 2009 - 1 BvR 439/08 - zitiert nach juris -; vom 14. März 2003 - 1 BvR 1998/02 - in NJW 2003, 2976; vom 7. April 2000 - 1 BvR 81/00 - in NJW 2000, 1936). Damit muss der Erfolg des Rechtsschutzbegehrens nicht gewiss sein; hinreichende Aussicht auf Erfolg ist nur dann zu verneinen, wenn diese nur entfernt oder schlechthin ausgeschlossen ist. Die hinreichende Erfolgsaussicht ist daher gegeben, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Klägers zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Ist eine Rechtsfrage aufgeworfen, die in der Rechtsprechung noch nicht geklärt, aber klärungsbedürftig ist, muss ebenfalls Prozesskostenhilfe bewilligt werden (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 73a, Rn. 7a, b, m. w. N.).

Wie das Sozialgericht geht auch der Senat davon aus, dass der durch Gerichtsbescheid vom 8. Juni 2011 erledigten Klage (Berufungsverfahren hiergegen anhängig unter L 25 AS 1231/11) zu keinem Zeitpunkt hinreichende Erfolgsaussichten im oben skizzierten Sinne beizumessen waren.

Die Klägerin hat im Klageverfahren “höhere Grundsicherungsleistungen„ begehrt. Sie hat erklärt, sich gegen “sämtliche in dem Zeitraum vom 01.01.2006 bis zum 10.08.2010 ergangene[n] Bescheide„ zu wenden “und zwar hinsichtlich der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes als auch hinsichtlich der Kosten der Unterkunft und Heizung„. Dem zugrunde lag ein Überprüfungsverfahren nach § 40 Abs. 1 Satz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch in seiner bis zum 31. März 2011 geltenden Fassung in Verbindung mit § 44 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch, in dem die Klägerin die Überprüfung sämtlicher im Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis zum 10. August 2010 ergangener Bescheide beantragt hatte. Der Beklagte hat sich mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 23. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. November 2010 auf die Bindungswirkung seiner Bescheide berufen und es abgelehnt, in eine sachliche Prüfung der Bescheide einzutreten.

Die Verwaltungsentscheidung des Beklagten dürfte nicht zu beanstanden sein. Der Senat folgt dabei zur Begründung inhaltlich in vollem Umfang der Rechtsprechung des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg (Urteile vom 29. September 2011 - L 29 AS 728/11 -; vom 26. März 2013 - L 19 AS 1900/12 -, - L 19 AS 727/11 - und - L 19 AS 2700/12 - und vom 19. April 2013 - L 26 AS 520/12 - alle bei juris). Der 29. Senat des LSG Berlin-Brandenburg etwa hat in der zitierten Entscheidung unter Hinweis auf die Rechtsprechung verschiedener Senate des Bundessozialgerichts ...

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