Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsprüfung. Beitragsnachforderung. illegales Beschäftigungsverhältnis. Verstoß gegen zentrale arbeitgeberbezogene Pflichten. bedingter Vorsatz. einstweiliger Rechtsschutz. Voraussetzungen für das Vorliegen einer unbilligen Härte nach § 86a Abs 3 S 2 SGG
Leitsatz (amtlich)
1. Eine allgemeine anwaltliche Beratung zur Frage einer etwaigen Scheinselbständigkeit im Vorgriff auf die beabsichtigte Beauftragung eines Einzelunternehmers lässt nicht ohne Weiteres den bedingten Vorsatz in Bezug auf den Verstoß gegen zentrale arbeitgeberbezogene Pflichten des Sozialversicherungs- und Steuerrechts entfallen.
2. Eine unbillige Härte der sofortigen Vollziehung eines Beitragsbescheides ist nicht bereits mit den hiermit verbundenen wirtschaftlichen Konsequenzen der finanziellen Belastung indiziert, sondern setzt die Glaubhaftmachung darüber hinausgehender, nicht oder nur schwer wiedergutzumachender Nachteile voraus.
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 22. Dezember 2020 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird für das Antrags- und das Beschwerdeverfahren auf jeweils 31.083,72 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt sinngemäß die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer am 28. Oktober 2020 erhobenen Klage (S 43 BA 15/20) gegen einen Betriebsprüfungsbescheid der Antragsgegnerin, mit dem diese eine Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen einschließlich darauf entfallender Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 62.167,44 € für den Prüfzeitraum 1. Januar 2013 bis 31. Oktober 2015 unter Zugrundelegung einer abhängigen Beschäftigung des 1961 geborenen (S) fordert.
Die Antragstellerin betrieb im Prüfzeitraum als GmbH & Co. KG ein Unternehmen mit dem Gegenstand der Raumausstattung einschließlich Abriss-, Renovierungs- und Einbauarbeiten und mit Geschäftssitz in ... . Ausweislich des Schlussberichts des Hauptzollamts vom 17. Dezember 2019 ist Komplementär der Antragstellerin eine Beteiligungs GmbH, deren geschäftsführender Gesellschafter und Inhaber seit Dezember 2012 (L.) ist. Die Antragstellerin beschäftigte in der Zeit von Oktober 2012 bis jedenfalls Dezember 2014 über 20 Arbeitnehmer.
S. hatte zum 2. Dezember 2007 als Einzelunternehmer das Gewerbe „Hausmeisterservice “ an seinem Wohnsitz angemeldet. Die Abmeldung erfolgte am 13. November 2015. Im Rahmen einer Umsatzsteuer-Nachschau im Einzelunternehmen des S. wurde seitens des HZA festgestellt, dass dieser in der Zeit 2013 bis 2014 ausschließlich für die Antragstellerin tätig gewesen sei.
Das Hauptzollamt Finanzkontrolle Schwarzarbeit (HZA) prüfte am 18. November 2015 die Geschäftsunterlagen der Antragstellerin; Gegenstand war die Beauftragung des Hausmeisterdienstes S. Die Antragsgegnerin nahm auf entsprechende Anfrage des HZA am 22. Juli 2016 gutachterlich zur sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung zweier Subunternehmer, darunter des S., im Zusammenhang mit der Tätigkeit bei der Antragstellerin Stellung (Bl. 10 bis 12 der Verwaltungsvorgänge); S. wurde am 27. Januar 2017 vom HZA als Zeuge vernommen (Bl. 24 bis 27 der Verwaltungsvorgänge). Die Antragsgegnerin kündigte der Antragstellerin die Durchführung einer Betriebsprüfung auf der Grundlage der Unterlagen des HZA an (Schreiben vom 18. Februar 2020). Zu ihrer Anhörung (Schreiben vom 5. März 2020) äußerte sich L. am 31. März 2020 dahingehend, er habe Anfang 2010 auf Grund von Auftragsspitzen einen zuverlässigen Subunternehmer gesucht (Bl. 64f. der Verwaltungsvorgänge). S. habe seine „Ich AG“ bereits 2007 gegründet und in der Folgezeit vielfältige hausmeistertypische Leistungen nach entsprechender Übermittlung der Kundenwünsche selbständig und größtenteils mit eigenen Werkzeugen ausgeführt, keinesfalls nur Abrissarbeiten. Er habe im Rahmen der jeweiligen Aufgabenstellungen jederzeit seine Arbeit selbständig organisieren und die Arbeitszeit frei einteilen können. Die auf der Basis eines Verrechnungssatzes von ca. 12 € zuzüglich Zielprämie und Objektlohn gewährte Vergütung habe ca. 2,4 mal höher gelegen als der Stundenlohn seiner Mitarbeiter.
Die Antragsgegnerin forderte mit Bescheid vom 8. Juni 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. September 2020 für die Zeit vom 1. Januar 2013 bis 31. Oktober 2015 gegenüber der Antragstellerin Beiträge zur Sozialversicherung in Höhe von 36.617,44 € zuzüglich Säumniszuschlägen in Höhe von 25.550 € nach. Die Antragstellerin hat hiergegen am 28. Oktober 2020 Klage erhoben und zugleich um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Nach Verweisung der beim Sozialgericht Frankfurt (Oder) anhängig gemachten Verfahren an das zuständige Sozialgericht Cottbus hat dieses mit Beschluss vom 22. Dezember 2020 den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zurückgewiesen.
Mit der hiergegen gerichteten Beschwerde vom 7. Januar 2021 macht die Antragstellerin im Wesentlichen geltend, ernsthafte und insofern für eine Aussetzung der Voll...