Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsweg bei Streitigkeit über Grundsicherungsleistungen
Orientierungssatz
Macht der Kläger einen Anspruch auf Ausgleich seiner Belastungen, die ihm durch die bundesgesetzliche Verpflichtung zur Übernahme von Grundsicherungsleistungen entstanden sind, geltend, handelt es sich der Sache nach um einen Anspruch auf kommunalen Finanzausgleich. Ansprüche auf kommunalen Finanzausgleich wegen besonderer Belastungen im Bereich der sozialen Grundsicherung finden im Land Brandenburg grundsätzlich eine gesetzliche Regelung in § 15 des Gesetzes über den allgemeinen Finanzausgleich mit den Gemeinden und Gemeindeverbänden im Land Brandenburg. Zulässig ist danach gemäß § 40 VwGO der Verwaltungsrechtsweg.
Tenor
Auf die Beschwerden der Beklagten wird der Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 27. Oktober 2005 aufgehoben.
Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten ist nicht zulässig.
Der Rechtsstreit wird an das Verwaltungsgericht Potsdam verwiesen.
Tatbestand
Die Beklagten wenden sich gegen die Entscheidung über die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges.
Mit der Klage vor dem Sozialgericht Potsdam begehrt der Kläger als örtlicher Sozialhilfeträger von den Beklagten einen - teilweisen - Ausgleich seiner Aufwendungen für Leistungen an Antragsberechtigte in stationären Einrichtungen nach dem Gesetz über bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsgesetz - GSiG).
Das beklagte Land gewährte den Kommunen für die durch die Übertragung der Aufgaben der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung entstandenen Mehrbelastungen eine Zuwendung in Höhe von 65 v. H. der nachgewiesenen Aufwendungen durch Verrechnung mit zuviel gezahlten Abschlägen für Sozialhilfeleistungen. Der Kläger begehrt im vorliegenden Rechtsstreit von den Beklagten über den ihm durch diese Verrechnung bereits gewährten Betrag hinaus eine zusätzliche Zuweisung in Höhe von jeweils 235.765,62 € sowohl für das Kalenderjahr 2003 als auch für das Kalenderjahr 2004, weil seine Aufwendungen für Grundsicherungsleistungen entsprechend höher gewesen seien; die geltend gemachten Beträge stellten 65 v. H. der tatsächlichen Aufwendungen des Klägers dar.
Mit Beschluss vom 27. Oktober 2005 hat das Sozialgericht Potsdam den Rechtsweg zu den Sozialgerichten für zulässig erklärt. Erstattungsbeziehungen zwischen einem örtlichen und einem überörtlichen Träger der Sozialhilfe seien Angelegenheiten der Sozialhilfe, und zwar auch dann, wenn Rechtsgrundlage für die Leistungen, deren Erstattung begehrt werde, weder das Bundessozialhilfegesetz noch das Sozialgesetzbuch-Sozialhilfe (SGB XII) sei. Das Erstattungsverhältnis werde allein von den sozialhilferechtlichen Vorschriften des § 4 Abs. 2 Ausführungsgesetz zum Bundessozialhilfegesetz (AG-BSHG) und § 100 Abs. 1 Nr. 1 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) geprägt.
Mit ihren Beschwerden begehren die Beklagten die Verweisung des Rechtsstreits an das Verwaltungsgericht Potsdam. Es handele sich um eine Rechtsstreitigkeit des kommunalen Finanzausgleichs. Für derartige Streitigkeiten sei die sachliche Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte gegeben. Die vom Kläger begehrten Zahlungen für die Kalenderjahre 2003/2004 könnten weder aus dem GSiG noch aus dem Brandenburgischen Gesetz zur Ausführung des BSHG hergeleitet werden. Das AG-BSHG sei lediglich die gesetzliche Grundlage für eine Kostenerstattung des Landes an die örtlichen Träger der Sozialhilfe für die Durchführung der den öffentlichen Trägern der Sozialhilfe durch Landesgesetz übertragenen Aufgaben. Die Aufgaben der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung seien den Kommunen nicht durch Landes-, sondern durch Bundesgesetz übertragen.
Entscheidungsgründe
Der Rechtsstreit war gemäß § 98 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 17 a Abs. 2 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) an das Verwaltungsgericht Potsdam zu verweisen. Denn der Sozialrechtsweg ist nicht gegeben. Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Nr. 6 a SGG liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der Sozialhilfe. Um eine solche handelt es sich vorliegend aber nicht.
Zwar sind von dem Begriff “Sozialhilfe" im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 6 a SGG auch Streitigkeiten nach dem GSiG erfasst (BSG, Beschluss vom 13. Oktober 2005 - B 9b SF 4/05 R - zitiert nach JURIS) und es gilt die seit dem 1. Januar 2005 begründete Zuständigkeit der Sozialgerichte für Streitigkeiten in Angelegenheiten der Sozialhilfe auch für solche Verfahren, die nicht unmittelbar Leistungsansprüche von Hilfebedürftigen, sondern die Erstattung von im Zusammenhang mit Sozialhilfeleistungen entstandenen Kosten betreffen (Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 21. Juni 2005 - 4 OB 193/05 - zitiert nach JURIS; OVG Berlin - Brandenburg, Beschluss vom 30. September 2005 - OVG 6 L 104/05 - GA Blatt 83 ff.). Bei der vorliegenden Klage handelt es sich aber nicht um eine Streitigkeit zwischen Sozia...