Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die hinreichende Erfolgsaussicht zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe
Orientierungssatz
1. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe setzt u. a. die Bejahung einer hinreichenden Erfolgsaussicht in der Hauptsache zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife des PKH-Gesuchs voraus.
2. Kommen zur Entscheidung im der Hauptsache weitere Ermittlungen, insbesondere eine Beweisaufnahme, in Betracht, und liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass diese zum Nachteil des Antragstellers ausgehen wird, so ist bei Vorliegen der weiteren gesetzlichen Voraussetzungen PKH zu bewilligen.
3. Sind bei einem gestellten Antrag auf Gewährung von Leistungen der Pflegeversicherung weitere Ermittlungen hinsichtlich des zeitlichen Umfangs der Pflegebedürftigkeit erforderlich, so sind die Voraussetzungen einer hinreichenden Erfolgsaussicht zu bejahen.
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 18. März 2013 aufgehoben.
Dem Kläger wird für das Klageverfahren erster Instanz mit Wirkung ab Klageerhebung Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des gewährt.
Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen sind nicht zu leisten.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin, mit dem dieses den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe vom 7. April 2011 abgelehnt hat, ist statthaft (§ 172 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Sie ist insbesondere nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG ausgeschlossen. Das Sozialgericht hat nicht die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe verneint, sondern die Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen mangelnder Erfolgsaussichten der Klage abgelehnt. Die Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig und begründet.
Gemäß § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung - ZPO- erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Der Kläger ist - wie sich aus der eingereichten Erklärung vom 27. April 2011 und Bescheiden des Amtes für Soziales vom 2. Februar 2011 und 25. Januar 2013 ergibt - nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung auch nur zum Teil oder in Raten aufzubringen.
Das Sozialgericht Berlin hat zu Unrecht die hinreichende Erfolgsaussicht der am 7. April 2011 eingereichten und mit einer Klagebegründung versehenen Klage auf Gewährung von Pflegeleistungen nach der Pflegestufe I verneint.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Erfolgsaussicht ist vorliegend der Mai 2011. Entscheidungsgrundlage für die gemäß § 114 Satz 1 ZPO vorzunehmende Erfolgsprognose ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats grundsätzlich der Sach- und Streitstand im Zeitpunkt der erstmaligen Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfegesuchs.
Entscheidungsreife liegt vor, wenn der Antragsteller alle für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe erforderlichen Unterlagen vorgelegt hat, insbesondere gemäß § 117 Abs. 2 und 4 ZPO den vollständig ausgefüllten Vordruck über die Erklärung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie die entsprechenden Belege, wenn der Gegner gemäß § 118 Abs 1 Satz 1 ZPO Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt hat und alle Erhebungen im Sinne von § 118 Abs 2 Sätze 1 bis 3 ZPO zur Klärung der hinreichenden Erfolgsaussicht des Prozesskostenhilfeantrages durchgeführt worden sind (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 27. April 2010, L 11 R 6027/09 B, Rdnr. 4).
Entscheidungsreife ist vorliegend im Mai 2011 nach Eingang des ausgefüllten und unterzeichneten Vordrucks über die Erklärung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingetreten. Der Antragsteller hatte am 27. April 2011 die Erklärung vollständig ausgefüllt und den zum damaligen Zeitpunkt aktuellen Bescheid über die Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII des Sozialamtes eingereicht. In dem vom Kläger genutzten Formular war ausdrücklich erklärt, dass bei Bezug von Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz und Beifügung des Bescheides des Sozialamtes, Angaben zu den Bruttoeinnahmen, Abzügen, Vermögensverhältnissen, Wohnkosten, sonstigen Zahlungsverpflichtungen und besonderen Belastungen entbehrlich seien. Weitere Erklärungen und Belege waren vom Gericht auch nicht angefordert worden. Der Antragsteller hatte die Klage auch begründet, die Beklagte hatte zumindest bis Ende des Monats Mai die Möglichkeit der Stellungnahme.
Der unbestimmte Rechtsbegriff der hinreichenden Erfolgsaussicht ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verfassungskonform auszulegen. Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) gebietet in Verbindung mit dem u. a. in Art. 20 Abs. 3 GG zum Ausdruck gebrachten Rechtsstaats...