Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld. Erfüllung der verkürzten Anwartschaftszeit. unständige Beschäftigung. Dauerbeschäftigungsverhältnis. Beschäftigungslosigkeit. leistungsrechtliches Beschäftigungsverhältnis. einsatzfreie Tage. keine Dienstbereitschaft. freier Mitarbeiter. Kameramann einer Rundfunkanstalt
Leitsatz (amtlich)
1. Unständige Beschäftigungen im Sinne des § 27 Abs 3 Nr 1 SGB III liegen nicht vor, wenn sich die übernommenen Tätigkeiten vereinbarungsgemäß in regelmäßigen zeitlichen Abständen wiederholen.
2. Ein Beschäftigungslosigkeit iSv § 138 Abs 1 Satz 1 SGB III ausschließendes Dauerbeschäftigungsverhältnis liegt nicht vor, wenn weder der Arbeitgeber verpflichtet ist, der Beschäftigten regelmäßige Einsatzzeiten anzubieten, noch diese verpflichtet ist, ihr angebotene Dienste anzunehmen (Anschluss an BSG vom 18.11.2015 - B 12 KR 16/13 R = BSGE 120, 99 = SozR 4-2400 § 7 Nr 25 und BAG vom 16.5.2012 - 5 AZR 268/11 = BAGE 141, 348 = AP Nr 66 zu § 138 BGB). Die Beschäftigte unterliegt dann an den Tagen zwischen ihren Einsätzen mangels Arbeitsverhältnis keiner Dienstbereitschaft und kann frei über ihre Arbeitskraft entscheiden.
3. § 7 Abs 3 SGB IV betrifft ausschließlich das versicherungs- und beitragsrechtliche Beschäftigungsverhältnis, lässt indes keine Rückschlüsse auf das - ohnehin nur für das Arbeitsförderungsrecht relevante und dort nicht gesondert geregelte - leistungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis zu.
4. Zum Anspruch auf Arbeitslosengeld einer Kamerafrau, die nicht in einem Dauerbeschäftigungsverhältnis zu einer Rundfunkanstalt steht (hier bejaht).
Normenkette
SGB III § 27 Abs. 3 Nr. 1, § 24 Abs. 1, 3 Nr. 2, § 25 Abs. 1 S. 1, §§ 95, 137 Abs. 1, § 138 Abs. 1 Nr. 1, § 147 Abs. 3, § 192 Abs. 1 Nr. 1, § 339 S. 2, § 142 Abs. 1 S. 1 Fassung: 2011-12-20, Abs. 2 S. 1 Fassung: 2011-12-20, § 143 Abs. 1 S. 1 Fassung: 2011-12-20; SGB IV § 7 Abs. 1 Sätze 1-2, Abs. 3, § 18 Abs. 1; SGB II § 6a; SGB VI § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 3; SGB X § 44 Abs. 1 S. 1; TVG § 12a Abs. 1 Nr. 1; BGB §§ 130, 145, 611
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 9. November 2016 und der Bescheid der Beklagten vom 17. Juli 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Oktober 2014 geändert.
Die Beklagte wird verpflichtet, den Bescheid vom 22. Januar 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 3. April 2014 zu ändern und der Klägerin Arbeitslosengeld für folgende Tage und Zeiträume zu gewähren:
6. bis 9., 11. bis 19., 21. bis 22. und 25. bis 27. Januar 2014,
28. Februar bis 2. März und 4. bis 7. März 2014,
19. bis 24. März und 26. März 2014,
28. März bis 2. April 2014,
5. April bis 13. April 2014, 26. April bis 4. Mai 2014,
7. Mai 2014,
8. bis 13., 15. bis 19. und 23. bis 29. August 2014,
31. August bis 10. September 2014,
16. bis 19. Oktober 2014.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das gesamte Verfahren zu 1/2.
Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt Arbeitslosengeld für 90 Kalendertage zwischen dem 6. Januar und 19. Oktober 2014.
Die 1970 geborene Klägerin war seit 2000 als Kameraassistentin/-frau für diverse Arbeit-/Auftraggeber tätig. Bei der beigeladenen Rundfunkanstalt war sie seit 2005 ausschließlich für das Hauptstadt-Studio der ARD tätig und in den Jahren 2012 und 2013 als sog. „EB-Technikerin“ (EB = elektronische Berichterstattung) im folgenden Umfang beschäftigt:
|
2012 |
BT-Beig* |
TT-so** |
2013 |
BT-Beig *** |
TT-so |
Januar |
7 |
1 |
Januar |
11 |
2 |
Februar |
4 |
3 |
Februar |
8 |
|
März |
10 |
4 |
März |
8 |
2 |
April |
18 |
2 |
April |
|
3 |
Mai |
5 |
6 |
Mai |
15 |
|
Juni |
5 |
5 |
Juni |
2 |
4 |
Juli |
5 |
3 |
Juli |
13 |
1 |
August |
13 |
5 |
August |
8 |
1 |
September |
4 |
7 |
September |
9 |
3 |
Oktober |
15 |
|
Oktober |
8 |
1 |
November |
15 |
10 |
November |
12 |
|
Dezember |
6 |
5 |
Dezember |
|
|
Gesamt |
107 |
51 |
Gesamt |
94 |
17 |
* BT-Beig = Tage der Beschäftigung bei Beigeladener
** TT-so = Tage der Tätigkeit bei sonstigen Auftraggebern
Die jeweiligen Einsätze umfassten Zeiträume zwischen einzelnen und elf aufeinanderfolgenden Kalendertagen - wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 8 ff. der Verwaltungsakte verwiesen - und wurden von der Beigeladenen als Beschäftigungszeiten der Krankenkasse der Klägerin gemeldet. Schriftliche (Rahmen-)Vereinbarungen zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu diesen Einsätzen existieren nicht. Der Klägerin stand es sowohl frei, von der Beigeladenen angebotene Einsätze anzunehmen oder abzulehnen, als auch, andere Arbeitsverhältnisse einzugehen. Sie durfte angenommene Einsätze für die Beigeladene ohne für sie nachteilige Konsequenzen kurzfristig wieder absagen. Die einzelnen Einsätze der Klägerin dauerten zwischen acht und zehn Stunden je Kalendertag; sie begannen frühestens gegen 8.00...