Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Anerkennung einer Schwerhörigkeit als lärmbedingte Schwerhörigkeit im Sinne der Berufskrankheit Nr. 2301 der Anlage zur BKV. Vorliegen eines untypischen Audiogramms und einer endogenen Innenohrschwerhörigkeit. Erfordernis besonderer Lärmbelastung von über 90 dB (A)
Orientierungssatz
1. Die Feststellung der Berufskrankheit BK Nr. 2301 setzt voraus, dass zum einen die arbeitstechnischen Voraussetzungen in Form einer adäquaten Lärmexposition gegeben sind und dass zum anderen das typische Krankheitsbild dieser Berufskrankheit, d.h. eine Innenohrschwerhörigkeit bzw. ein Tinnitus, vorliegt und dieses im Sinne der unfallrechtlichen Kausalitätslehre wesentlich ursächlich auf die berufliche Tätigkeit zurückzuführen ist. Danach müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß im Sinne des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit ausreicht.
2. Als gehörschädigend wird teilweise lediglich ein Dauerlärm oberhalb von 90 dB (A) während des überwiegenden Teils der Arbeitszeit angesehen. Bei einem Beurteilungspegel von 85 - 90 dB (A) kommt lediglich bei langjähriger Exposition oder außergewöhnlich großer individueller Gehörsensibilität eine Lärmschädigung in Betracht.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 19. März 2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Anerkennung eines Hörschadens als Berufskrankheit (BK) nach der Nr. 2301 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) und die Gewährung entsprechender Entschädigungsleistungen.
Die 1956 geborene Klägerin ist seit Oktober 1989 als Maschinenführerin bei der P GmbH tätig. Im August 2005 zeigten die Fachärzte für Hals-Nasen-Ohren (HNO)-Heilkunde Dr. Dr. T-T/Dr. L/Dipl.-Med. U, im Oktober 2005 die Krankenkasse der Klägerin, die AOK Berlin, und im Dezember 2005 der Arbeitgeber der Klägerin den Verdacht auf das Bestehen einer BK an. Die AOK Berlin übersandte ein Vorerkrankungsverzeichnis und eine Aufstellung über Arbeitsunfähigkeitszeiten. Die Beklagte befragte die Klägerin zu ihren Tätigkeiten und holte eine Stellungnahme der P GmbH ein, die am 16. September 2005 mitteilte, dass neueste Messungen des Lärmbereiches, in welchem die Klägerin tätig sei, im Schnitt 83 bis 85 dB(A) ergeben hätten. Die Klägerin habe im Jahr 2000 einen persönlichen Hörschutz bekommen, sämtliche Mitarbeiter würden immer wieder unterwiesen, den Gehörschutz auch zu tragen. Die Beklagte zog ferner Unterlagen des Werksarztes des Arbeitgebers der Klägerin Dr. K bei. Sie befragte sodann ihren Technischen Aufsichtsdienst (TAD) zur arbeitstechnischen Belastung der Klägerin, der am 28. Oktober 2005 mitteilte, dass ausgehend von einem Beurteilungspegel um 86 bis 90 dB(A), die aufgrund einer Betriebslärmanalyse und telefonischen Angaben der Klägerin ermittelt worden seien, eine gehörschädigende Lärmexposition und eine Schädigung unwahrscheinlich seien.
Die Beklagte holte sodann ein Gutachten des Facharztes für HNO-Heilkunde Dr. M vom 14. Januar 2006 ein, der ausführte, dass eine mittelgradige Innenohrschwerhörigkeit beidseits, ein Zustand nach Paukendrainage beidseits mit in situ liegender Drainage rechts bei chronischer Tubenbelüftungsstörung beidseits sowie ein Tinnitus aurium beidseits bestünden. Die Klägerin habe 16 Jahre und 9 Monate ohne Gehörschutz an Lärmarbeitsplätzen der Firma P AG gearbeitet. Erst seit August 2005 sei sie nicht mehr an Arbeitsplätzen mit gehörschädigendem Lärm tätig. Die familiären Probleme wegen der von der Klägerin bemerkten Schwerhörigkeit bestünden jedoch nach ihren Angaben seit etwa 15 Jahren. Insgesamt sei die vom TAD ermittelte Lärmbelastung zugrunde gelegt worden, obwohl nach Angaben des Werksarztes Dr. K letzte Messungen lediglich personenbezogene Lärmpegel von 83 bis 85 dB(A) ergeben hätten.
Die berufliche Lärmexposition und die audiometrischen Befunde machten eine berufsbedingte Lärmschädigung unwahrscheinlich. Vielmehr handele es sich mit hoher Sicherheit um eine sich parallel zur Lärmexposition entwickelnde endogen-degenerative Innenohrschwerhörigkeit, deren Ätiologie unklar sei. Hierfür sprächen zum einen der Kurvenverlauf im Audiogramm, der untypisch für eine Lärmschwerhörigkeit sei. Weiter leide die Klägerin nach Angaben der behandelnden HNO-Ärzte unter einer chronischen beidseitigen Tubenfunktionsstörung, wodurch wahrscheinlich zumindest zeitweise ein “natürlicher„ Lärmschutz vorgelegen habe, so dass die tatsächlich auf das Innenohr einwirkende Lärmbelastung nicht gehörschädigend gewesen sei.
Nach Anhörung des Landesamtes für Arbeits...