Entscheidungsstichwort (Thema)
Persönliche Arbeitslosmeldung zur Begründung eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld
Orientierungssatz
1. Die Gewährung von Arbeitslosengeld setzt die persönliche Arbeitslosmeldung des Antragstellers bzw. der Meldung durch einen Vertreter voraus.
2. Eine versäumte bzw. verspätete Arbeitslosmeldung kann im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht ersetzt werden. Bei der Arbeitslosmeldung handelt es sich um eine Tatsachenerklärung als Voraussetzung des Anspruchs. Diese ist im Wege der Fiktion nicht ersetzbar (Anschluss: BSG, Urteil vom 07. Mai 2009 - B 11 AL 72/08 B.
3. Nur wenn der Arbeitslose gesundheitsbedingt nicht in der Lage ist, sich persönlich arbeitslos zu melden, kann die Arbeitslosmeldung durch einen beauftragten Vertreter erfolgen. Eine schriftliche Antragstellung ist zur Begründung des Anspruchs ausgeschlossen.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. März 2012 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind im gesamten Verfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 5. Februar 2010 bis 14. Februar 2010.
Die 1958 geborene Klägerin bezog wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit ab 31. Juli 2008 in der Zeit vom 11. September 2008 bis 28. Januar 2010 Krankengeld. Auf den im Februar 2010 gestellten Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung (EM) bewilligte die Deutsche Rentenversicherung Berlin-Brandenburg der Klägerin ausgehend von einem Eintritt voller EM am 3. Februar 2010 Rente wegen voller EM für die Zeit vom 1. September 2010 bis 31. August 2013.
Mit Schreiben vom 4. Februar 2010, bei der Beklagten eingegangen am 5. Februar 2010, beantragte die Klägerin Alg. Eine persönliche Vorsprache der Klägerin bei der Beklagten erfolgte auf Hinweis der Beklagten am 15. Februar 2010. Mit Bescheid vom 15. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. März 2010 bewilligte die Beklagte Alg für die Zeit vom 15. Februar 2010 bis 16. Mai 2011 iH eines täglichen Leistungsbetrages von 43,09 €.
Das Sozialgericht (SG) Berlin hat der auf Gewährung von Alg auch für die Zeit vom 5. Februar 2010 bis 14. Februar 2010 gerichteten Klage stattgegeben (Urteil vom 27. März 2012). Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei begründet. Der Klägerin stehe ein Alg-Anspruch bereits ab 5. Februar 2010 zu. Unter Berücksichtigung des vom Rentenversicherungsträger festgestellten Eintritts voller EM am 3. Februar 2010 und des ärztlichen Attests vom 18. März 2010 (Internistin Dr. Herold) sei von einer Arbeitslosmeldung im Hinblick auf § 125 Abs. 1 Satz 3 Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III) bereits am 5. Februar 2010 auszugehen. Es könne keinen Unterschied machen, ob sich der erkrankte Arbeitslose - wie hier die Klägerin - selbst schriftlich melde oder die Meldung durch einen Vertreter erfolge. Die übrigen Voraussetzungen für die Gewährung von Alg im streitigen Zeitraum seien erfüllt.
Mit der vom SG zugelassenen Berufung wendet sich die Beklagte gegen dieses Urteil. Sie trägt vor: Greife § 125 Abs. 1 Satz 3 SGB III in der bis 31. März 2012 geltenden Fassung (aF), müsse auch die Meldung durch den Vertreter persönlich erfolgen. Lasse sich die Arbeitslose - wie die Klägerin - indes nicht vertreten, müsse sie sich selbst persönlich arbeitslos melden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. März 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt (vgl §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten ist begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Alg für den - hier nur streitigen - Zeitraum vom 5. Februar 2010 bis 14. Februar 2010. Es fehlt insoweit jedenfalls an der erforderlichen persönlichen Arbeitslosmeldung (§§ 118 Abs. 1 Nr. 2, 122 Abs. 1 Satz 1 SGB III aF) bzw der Meldung durch einen Vertreter (§ 125 Abs. 1 Satz 3 SGB III).
Zwischen den Beteiligten ist nicht streitig, dass sich die Klägerin selbst vor dem 15. Februar 2010 nicht persönlich bei der Beklagten arbeitslos gemeldet hat. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch kann insoweit ungeachtet dessen, dass ein Beratungsfehler der Beklagten oder eines anderen Trägers nicht ersichtlich ist, nicht Platz greifen, weil es sich bei der Arbeitslosmeldung um eine - nicht im Wege der Fiktion ersetzbare - Tatsachenerklärung als Voraussetzung für einen Alg-Anspruch handelt (st Rspr des BSG, vgl BSG SozR 4100 § 105 Nr 2; BSG SozR 1300 § 28 Nr 1; BSG, Urteil vom 7. Mai 2009 - B 11 AL 72/08 R - juris).
Auch eine Meldung durch einen Vertreter ist vorliegend nicht erfolgt, und zwar weder persönlich noch schriftli...