Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Kostenerstattung. Behandlung in tunesischer Privatklinik
Orientierungssatz
Eine Krankenkasse hat die Behandlungskosten in einer tunesischen Privatklinik zu übernehmen, wenn die Einweisung nicht wegen des fehlenden Anspruchsnachweises nach Art 9 der Vereinbarung zur Durchführung des Abkommens vom 16.4.1984 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tunesischen Republik über soziale Sicherheit (juris: SozSichAbkDVbg TUN), sondern aufgrund medizinischer Notwendigkeit erfolgt ist.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers der Revision und der Berufung zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Restkosten für eine in Tunesien durchgeführte Krankenbehandlung.
Der 1960 geborene Kläger ist deutscher Staatsangehöriger, wohnt in B und ist bei der beklagten Krankenkasse versichert. Am 5. Januar 1999 reiste er nach Tunesien, um seine Mutter zu besuchen. Dort verunglückte er noch am Tag seiner Ankunft bei einem Verkehrsunfall schwer und erlitt ein Schädel-Hirn-Trauma mit anschließendem zwölftägigem Koma. Der Kläger wurde zunächst in das staatliche Krankenhaus der Stadt G eingeliefert und sodann in die neurochirurgische Privat-Poliklinik T. SA nach T verlegt. Nach einem Arztbericht vom 2. Februar 1999 ausgestellt durch den Arzt für Neurochirurgie Prof. F K aus diesem Krankenhaus erfolgte die Einweisung durch das staatliche Krankenhaus der Stadt G da es dort keine entsprechende Fachabteilung gegeben habe. Ob der Kläger oder seine Frau um Zustimmung zu dieser Einweisung gebeten worden waren, blieb unklar. Nach der Darstellung des Klägers waren er und seine Frau bei dem Verkehrsunfall verletzt worden und während des Krankentransportes bewusstlos. Die beiden mitreisenden Kinder waren minderjährig (2 bzw. 7 Jahre). Für die Krankenbehandlung entstanden Kosten von umgerechnet 17.206,65 DM (8.797,62 Euro). Der Kläger verlangte von der Beklagten die vollständige Erstattung dieser Kosten unter Hinweis darauf, dass es keine andere ausreichende und zeitnahe Weiterbehandlungsmöglichkeit als in der Privatklinik gegeben habe. Nachdem die Beklagte beim staatlichen tunesischen Krankenversicherungsträger (Caisse Nationale de Securite Sociale, Tunis (CNSS)) ermittelt hatte, dass für eine Sachleistungsgewährung in Tunesien umgerechnet 8.637,40 DM (4.416,23 Euro) angefallen wären, erstattete sie dem Kläger unter Heranziehung des "Abkommens vom 16.4.1984 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tunesischen Republik über Soziale Sicherheit" (BGBl II 1986, 584; DTSVA) nur diesen Betrag (Bescheid vom 5.8.1999; Widerspruchsbescheid vom 10.2.2000).
Das dagegen angerufene Sozialgericht hat die Beklagte verurteilt, die vollen Kosten (abzüglich der nach deutschem Recht zu erbringenden Eigenanteile) zu erstatten (Urteil vom 13.9.2002). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und sich dazu auf § 13 Abs. 3 Fall 1 SGB V gestützt: Art. 5 i. V. m. Art 14 Abs. 1 Buchst b DTSVA sehe bei vorübergehendem Aufenthalt in Tunesien für Notfallbehandlungen eine Gebietsgleichstellung vor. Der Kläger habe die notwendige Krankenbehandlung nicht im Wege der nach dem Abkommen vorgesehenen Sachleistungsaushilfe erhalten können, wie aufgrund der Bescheinigung vom 2. Februar 1999 feststehe. Es komme nicht darauf an, ob es in Tunesien grundsätzlich möglich gewesen wäre, die schwere Krankheit des komatösen Klägers medizinisch ausreichend in einem staatlichen Krankenhaus zu behandeln; ein solches Krankenhaus sei jedenfalls konkret nicht erreichbar und die Überweisung in die Privatklinik daher notwendig gewesen. Da das DTSVA Notfallbehandlungen außerhalb der Sachleistungsaushilfe nicht anspreche, müsse das insoweit einschlägige tunesische Recht nicht geprüft werden. Die von der Beklagten angewandte Vereinbarung der Verbindungsstellen für die Krankenversicherung zum DTSVA (VV-DTSVA) sei kein zwischenstaatliches Recht, das die Höhe des Kostenerstattungsanspruchs wirksam einschränken könne (Urteil vom 15.12.2005).
Auf die Revision der beklagten Krankenkasse hin hat das Bundessozialgericht das Urteil des erkennenden Senats aufgehoben und die Sache an das Landessozialgericht zurückverwiesen (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG -Urteil vom 24. Mai 2007-B 1 KR 17/06 B-).
Im Einzelnen hat das Bundessozialgericht ausgeführt, dass der hier geltend gemachte über den sachleistungsersetzenden Erstattungsanspruch hinausgehende Kostenerstattungsanspruch nur dann zum Greifen komme, wenn der Versicherte abkommenswidrig nicht das erhalten habe, was ihm nach tunesischem Recht zustehe bzw. zugestanden habe. Lediglich soweit das tunesische Recht keine Regelungen zu Fällen des Systemversagens wegen spezifischer Verletzungen des DTSVA enthalte, sei diese verbliebene Lücke über den Erstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V zu schließe...