Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Wegeunfall. sachlicher Zusammenhang. Handlungstendenz. Schutzzweck der Norm. Weg zum Postbriefkasten. Übersendung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an den Arbeitgeber. Ausweitung des versicherungsrechtlichen Wegeschutzes. Rechtsstaatsprinzip
Leitsatz (amtlich)
Der Weg zum Postbriefkasten, um eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an den Arbeitgeber zu übersenden, unterliegt nicht dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
Mit der Übersendung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an den Arbeitgeber erfüllt der Versicherte zuvörderst eine eigene gesetzliche Pflicht, nicht jedoch eine Nebenpflicht, damit der Arbeitgeber eine ihm obliegende Pflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis erfüllen kann.
Eine Ausweitung des versicherungsrechtlichen Wegeschutzes bedarf nach dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenbestimmtheit und Normenklarheit einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 28. September 2018 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 10.263,00 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Streitig zwischen den Beteiligten ist ein Erstattungsanspruch in Höhe von 10.263,00 Euro wegen der Behandlungskosten der Beigeladenen nach einem Unfall.
Die im Jahr 1957 geborene Beigeladene ist bei der Klägerin gesetzlich krankenversichert. Am 16. November 2013 stürzte sie gegen 12.00 Uhr in der S auf dem Weg zum Briefkasten, als sie dort einen an den Arbeitgeber adressierten Brief mit einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einwerfen wollte. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 15. November 2013 war für die Zeit vom 12. August 2013 bis zum 19. November 2013 ausgestellt. Die Beigeladene erlitt eine Luxation des Handgelenks sowie eine Rotatorenmanschettenläsion und wurde auf Kosten der Klägerin bis zum 06. Mai 2014 medizinisch behandelt; vom 10. Februar 2014 bis zum 04. Mai 2014 erhielt sie Krankengeld. Die Kosten der stationären Behandlung betrugen 2.706,72 Euro, der physiotherapeutischen Behandlung 901,90 Euro, der Hilfsmittel (Bandagen, Bewegungsschiene, Orthese) 641,03 Euro und Krankengeld wurde in Höhe von 6.013,35 Euro gezahlt.
Mit Schreiben vom 05. Dezember 2013 meldete die Klägerin bei der Beklagten vorsorglich einen Erstattungsanspruch an. Unter dem 11. Dezember 2013 teilte die Beklagte der Klägerin die Ablehnung eines Versicherungsfalls mit. Am 27. Februar 2015 wandte sich die Klägerin wieder an die Beklagte mit der Bitte einer erneuten Prüfung und Anerkennungsmitteilung. Die Beklagte führte sodann Ermittlungen zu dem Unfallereignis durch Befragung der Beigeladenen durch. Mit Bescheid vom 21. Juli 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07. Oktober 2015 lehnte die Beklagte gegenüber der Beigeladenen Ansprüche auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung aus Anlass des Ereignisses vom 16. November 2013 ab. Ein Arbeitsunfall habe nicht vorgelegen, da sich die Beigeladene zum Unfallzeitpunkt nicht auf einem versicherten Weg befunden habe. Der Weg zum Briefkasten könne nicht analog zum Weg von und zur Arbeitsstätte betrachtet werden. Es stünden lediglich die Wege zum Arbeitgeber und zurück unter Versicherungsschutz, wenn der Versicherte die Krankmeldung persönlich beim Arbeitgeber abgebe.
Am 22. Dezember 2016 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Potsdam erhoben. Entgegen der Auffassung der Beklagten habe ein Versicherungsfall vorgelegen. Es sei anerkannt, dass ein Arbeitnehmer versichert sei, wenn er während einer Erkrankung dem Arbeitgeber persönlich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung überbringe und dabei auf dem Hin-/ Rückweg verunfalle. Nichts anderes könne gelten, wenn der Arbeitnehmer einen schonenderen Weg wähle, indem er die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung postalisch zum Arbeitgeber auf den Weg bringe. Die Beklagte ist dem entgegengetreten; es bestehe eine Bindungswirkung von Verwaltungsakten im Erstattungsverfahren, wenn die Entscheidung des Erstattungsverpflichteten nicht offenkundig fehlerhaft sei. Zudem sei lediglich ein Anspruch wegen Krankenbehandlung zur Fristwahrung gem. § 111 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) angemeldet. Der Anspruch auf Erstattung von Krankengeld sei verjährt.
Das Sozialgericht Potsdam hat die Klage ohne mündliche Verhandlung mit Urteil vom 28. September 2018 abgewiesen. Die Klage sei als Leistungsklage zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin habe keinen Erstattungsanspruch, da die Beklagte für die Leistungserbringung nicht zuständig sei. Ein Versicherungsfall, insbesondere ein Arbeitsunfall liege nicht vor. Die Beigeladene habe sich nicht während einer versicherten Tätigkeit verletzt, sie sei auch nicht auf einem versicherten Weg gewesen, denn der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung bestehe grundsätzlich nur auf dem Weg zwischen der Arbeitsstätte u...