Entscheidungsstichwort (Thema)

Kriegsblinder. Heimunterbringung. wesentliche Ursache. Demenz. Anspruch auf Übernahme von Heimpflegekosten nach BVG. Höhe der Kostenübernahme. Wahrscheinlichkeit des Zurechnungszusammenhangs zwischen Schädigung und Gesundheitsstörung

 

Orientierungssatz

1. Es besteht Anspruch auf vollständige Übernahme der Heimpflegekosten, wenn der Beschädigte infolge der Schädigung dauernder Pflege iSv BVG § 35 Abs 1 bedarf und geeignete Pflege sonst - außerhalb eines Heims - nicht sichergestellt werden kann (BSG, 2003-12-10, B 9 V 7/03 R, BSGE 92, 42).

2. Der dem Grunde nach bestehende Anspruch ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung allerdings auf die Höhe der Kosten begrenzt, die das Heim wegen des nach § 35 Abs 1 BVG anerkannten Pflegebedarfs berechnet hätte  (BSG, 2003-12-10, B 9 V 7/03 R, BSGE 92, 42).

3. Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Zurechnungszusammenhangs zwischen der Schädigung und einer Gesundheitsstörung.

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 4. Februar 2008 aufgehoben und der Bescheid des Beklagten vom 4. September 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 2003 geändert.

Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die Kosten der Heimunterbringung des Versorgungsberechtigten E M für den Zeitraum vom 19. Januar 2001 bis 27. Februar 2002 in Höhe von insgesamt 6.674,92 EUR zu zahlen.

Der Beklagte hat die Kosten des gesamten Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Übernahme der vollständigen Kosten der Unterbringung des verstorbenen Versorgungsberechtigten in einem Pflegeheim für die Zeit vom 19. Januar 2001 bis 27. Februar 2002.

Die Klägerin ist die Tochter und Rechtsnachfolgerin des 1913 geborenen und 2002 verstorbenen Versorgungsberechtigten E M. Dieser bezog Versorgungsleistungen wegen vollständiger Erblindung aufgrund von Verletzungen im November 1945 während seiner Internierung. Der Beklagte gewährte mit Bescheid vom 31. Oktober 1989 Pflegezulage nach Stufe III und eine Pflegezulageerhöhung nach § 35 Abs 1 BVG für die durch die Klägerin übernommene Pflege. Mit Schreiben vom 9. Januar 2001 beantragte der Versorgungsberechtigte die Kostenübernahme für eine Heimunterbringung ab dem Zeitpunkt der Heimaufnahme, gleichzeitig kündigte die Klägerin den Pflegevertrag für die häusliche Pflege für den Zeitpunkt der Aufnahme ins Pflegeheim. Am 19. Januar 2001 wurde der Versorgungsberechtigte zur vollstationären Pflege in das E Pflegewohnheim aufgenommen. Der Pflegesatz Pflegestufe I betrug 2001 pro Tag 91,98 DM und 2002 pro Tag 47,87 EUR; für die Pflegestufe II im Jahre 2001 pro Tag 124,13 DM und 2002 pro Tag 64,61 EUR.

Auf den bei der AOK Berlin-Pflegekasse gestellten Antrag auf Pflegeleistungen erstattete die MDK-Sachverständige Dr. B am 11. Januar 2001 ein Pflegegutachten, in welchem ein Pflegebedarf im Bereich der Körperpflege von 111 Minuten, im Bereich der Ernährung von 71 Minuten und im Bereich der Mobilität von 33 Minuten, insgesamt 215 Minuten täglich festgestellt wurde. Die stationäre Aufnahme habe akute Verwirrtheitszustände und Angstattacken zum Anlass. Die pflegebegründenden Diagnosen seien senile Demenz und Blindheit; als weitere Diagnosen wurden eine Myocardinsuffizienz und Kachexie festgehalten. Der Versorgungsberechtigte sei zeitlich und örtlich desorientiert, sein Antrieb sei stark gemindert bis aufgehoben, die Stimmung depressiv, das Gedächtnis gestört, er neige zur Umkehr des Tag-/Nachtrhythmus, die Kommunikation sei deutlich erschwert, eine situative Anpassung nicht möglich. Es liege Pflegebedürftigkeit bei Pflegestufe II seit Januar 2001 vor. Der Beklagte veranlasste versorgungsärztliche Stellungnahmen vom 16. und 31. Juli 2001 (F). Danach ergebe sich der erhöhte Pflegebedarf aus der senilen Demenz, die nicht durch das Versorgungsleiden bedingt sei. Versorgungsleiden und Nichtversorgungsleiden seien nicht als gleichwertig anzusehen. Die Kostenübernahme für die Heimunterbringung gemäß Pflegestufe I ergebe sich aus der als Versorgungsleiden anerkannten Blindheit und der üblichen Altershinfälligkeit.

Mit Bescheid vom 4. September 2001 hob der Beklagte die bisherigen Bewilligungsbescheide teilweise hinsichtlich der Pflegezulage und der Pflegezulageerhöhung auf. Die Pflegezulage wurde gemäß § 35 Abs 6 BVG neu bewilligt; die Heimkosten würden übernommen, da die für den Versorgungsberechtigten nach dem Umfang der anerkannten Schädigung erforderliche Pflege sonst nicht sichergestellt sei. Neben den Heimpflegekosten werde ein Beitrag in Höhe der Grundrente gezahlt. Die nach dem BVG anerkannte Schädigung bedinge ab 19. Januar 2001 die Heimpflege der Pflegestufe I. Die darüber hinausgehende Heimpflege sei nicht schädigungsbedingt, so dass die Kosten hierfür nicht übernommen würden. Der Versorgungs-berechtigte solle sich insoweit an seine Pflegekasse wenden.

Mit seinem Widerspruch machte der Versorgungsberechtigte geltend, dass für di...

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