Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Versicherungspflicht wegen Bezuges von Arbeitslosengeld II. Ausscheiden aus der privaten Krankenversicherung 19 Monate vor Arbeitslosengeld II-Bezug. keine Geltung des Ausschlusstatbestandes nach § 5 Abs 5a S 1 SGB 5. Tatbestandsvoraussetzung der "Unmittelbarkeit" in § 5 Abs 5a SGB 5

 

Orientierungssatz

Zum Begriff der Unmittelbarkeit in § 5 Abs 5a SGB 5.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 03.07.2013; Aktenzeichen B 12 KR 11/11 R)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers und der Beigeladenen zu 2) für das Berufungsverfahren zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Im Streit zwischen den Beteiligten ist die Versicherungspflicht des Klägers wegen Bezuges von Arbeitslosengeld II - Alg II -.

Der 1956 geborene Kläger begehrt die Pflichtversicherung bei der Beklagten. Diese vertritt die Auffassung, dieser Versicherung stünde § 5 Abs. 1 Nr. 2 a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - SGB V - entgegen, da der Kläger vor dem Bezug von Alg II unmittelbar privat krankenversichert gewesen sei.

Er machte sich nach einer Ausbildung zum Kfz-Lackierer im Jahre 1996 selbständig. Bis 2004 war er dann bei der Beklagten krankenversichert. Danach wechselte er zur privaten W K AG. Dieses Versicherungsverhältnis endete aufgrund einer Kündigung des Versicherers wegen Beitragsrückständen zum 20. Januar 2008. Zum 30. Juni 2009 meldete der Kläger sein selbständiges Gewerbe ab, das seit dem 01. Juli 2009 seine Tochter weiterführt.

Seit dem 29. September 2009 bezieht der Kläger Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - SGB II -.

Mit Bescheid ohne Rechtsmittelbelehrung vom 26. November 2009 lehnte die Beklagte die Aufnahme des Klägers in die Pflichtversicherung bei ihr ab, da der Kläger unmittelbar vor dem Bezug von Leistungen nach dem SGB II privat versichert gewesen sei. Den Widerspruch des Klägers hiergegen wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 09. März 2010 zurück. Der Kläger gehöre zu dem Personenkreis, der eine Krankheitskostenversicherung in der privaten Krankenversicherung abzuschließen habe. Dafür hätten diese Versicherungen einen Basistarif zur Verfügung zu stellen, so dass Bezieher von Alg II nicht mehr in die Versicherungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung einbezogen werden müssten, wenn sie - wie der Kläger - unmittelbar vor dem Leistungsbezug privat krankenversichert gewesen seien.

Hiergegen hat sich die am 30. März 2010 beim Sozialgericht Berlin erhobene Klage gerichtet, zu deren Begründung der Kläger vorgetragen hat, aufgrund des Bezuges von Alg II bestehe eine Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung. Er sei unmittelbar vor dem Bezug dieser Leistung nicht privat krankenversichert gewesen und habe sein Gewerbe bereits drei Monate vor Beginn des Leistungsbezugs abgemeldet.

Die Beklagte ist dem unter Bezugnahme auf die angefochtenen Bescheide entgegengetreten.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 13. September 2010 die angefochtenen Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass der Kläger seit dem 29. September 2009 pflichtversichertes Mitglied der Beklagten sei.

Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, dass Personen in der Zeit, für die sie Alg II nach dem SGB II beziehen, soweit sie nicht der Familienversicherung unterlägen, grundsätzlich gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 a SGB V versichert seien. Ein Ausschluss von der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 5 a SGB II liege im Fall des Klägers nicht vor. Danach sei nicht versicherungspflichtig, wer unmittelbar vor dem Bezug von Alg II privat krankenversichert war oder weder gesetzlich noch privat krankenversichert war und zu den in Abs. 5 oder den in § 6 Abs. 1 oder 2 genannten Personen gehöre. Der Kläger sei 19 Monate vor dem Alg II-Bezug aus der privaten Krankenversicherung ausgeschieden, somit liege keine unmittelbare private Krankenversicherung vor dem Bezug von Alg II vor. Er sei auch nicht beruflich selbständig tätig.

Gegen dieses der Beklagten am 27. September 2010 zugestellte Urteil richtet sich deren Berufung vom 27. Oktober 2010. Der Kläger sei gemäß § 193 Abs. 3 Versicherungsvertragsgesetz - VVG - verpflichtet gewesen, mit dem Ende der privaten Krankenversicherung für sich bei einem privaten Versicherungsunternehmen eine Krankheitskostenversicherung abzuschließen. Dieser Pflicht sei er nicht nachgekommen. Dass er nun nach einer relativ kurzen Zwischenzeit Alg II-Bezieher sei, könne nicht dazu führen, dass die Versichertengemeinschaft der gesetzlichen Krankenversicherung für ihn aufkommen müsse, obwohl er eindeutig dem System der privaten Krankenversicherung zuzuordnen sei (Hinweis auf die Entscheidung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 23. August 2010 - L 16 KR 329/10 B ER -).

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. September 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger und die Beigeladene zu 2) beantragen,

die Berufung zurückzuweise...

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