Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Rentenversicherung. Anspruch auf eine Halbwaisenrente nach Vollendung des 27. Lebensjahres. Erhöhung der maßgeblichen Altersbegrenzung aufgrund der Ableistung des gesetzlichen Grundwehrdienstes. Unschädlichkeit anschließender Tätigkeit als Soldat auf Zeit für die Rentenverlängerung

 

Orientierungssatz

1. Nach § 48 Abs. 5 SGB VI erhöht sich für den Fall der Unterbrechung oder Verzögerung einer Schul- oder Berufsausbildung durch gesetzlichen Wehr- oder Zivildienst die für den Waisenrentenanspruch maßgebliche Altersbegrenzung um den entsprechenden Zeitraum.

2. Eine im Anschluss an den Grundwehrdienst aufgenommene Tätigkeit eines freiwilligen zusätzlichen Wehrdienstes und sodann eine Berufstätigkeit als Soldat auf Zeit ist wie jede andere berufliche Betätigung außerhalb der Bundeswehr zu behandeln und mithin für den Anspruch auf Verlängerung der Halbwaisenrente unschädlich.

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. Juni 2011 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor dieses Urteils wie folgt neu gefasst wird:

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 20. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Juni 2008 verurteilt, den Bescheid vom 18. Oktober 2006 zu ändern und dem Kläger Halbwaisenrente auch für den Zeitraum vom 1. Mai 2008 bis 28. Februar 2009 zu gewähren.

Die Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger erhebt Zahlungsansprüche aus einem Recht aus Halbwaisenrente für die Zeit nach Vollendung seines 27. Lebensjahres vom 1. Mai 2008 bis zum 28. Februar 2009.

Die Mutter des Klägers, die bei der Beklagten in der Rentenversicherung für Angestellte versichert war, starb 1988. Die Beklagte erkannte dem 1981 geborenen Kläger ab 1. April 1988 Zahlungsansprüche aus seinem Recht auf Halbwaisenrente zu (Bescheid vom 25. Juli 1988, Widerspruchsbescheid vom 7. Februar 1989).

Nach Abschluss der Schule (Abitur 2000) wurde der Kläger 2000 zum 10-monatigen Grundwehrdienst mit nachfolgendem freiwilligen zusätzlichen Wehrdienst von 13 Monaten einberufen. Im Anschluss hieran war der Kläger für weitere 25 Monate bis zum 30. Juni 2004 Soldat auf Zeit. Die Berufung in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit erfolgte am 15. Mai 2002. Die Beklagte hob die Bewilligung von Waisenrente mit Bescheid vom 9. Juni 2000 ab 1. August 2000 auf. Am 1. Oktober 2004 nahm der Kläger ein Studium in den Fächern Geschichte und Geographie/Erdkunde an der H-Universität zu B auf. Mit Bescheid vom 18. Oktober 2006 teilte die Beklagte dem Kläger mit, die Waisenente werde bis zum 30. April 2008 (Vollendung des 27. Lebensjahres) weitergezahlt.

Am 29. Februar 2008 bat der Kläger telefonisch um Prüfung, warum bereits zum 30. April 2008 der Bezug der Waisenrente eingestellt werden solle. Mit Bescheid vom 20. März 2008 bestätigte die Beklagte die Befristung der Waisenrente zum 30. April 2008. Unter Bezugnahme auf ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 26. September 1974 (5 RJ 77/72) führte sie an: Der geleistete Grundwehrdienst könne nicht zu einer Verlängerung des Anspruchs auf Waisenrente über das 27. Lebensjahr hinaus führen. Zwar werde Waisenrente über das 27. Lebensjahr hinaus gezahlt, wenn die Schul- oder Berufsausbildung u.a. durch die Erfüllung der gesetzlichen Wehrdienstpflicht unterbrochen oder verzögert werde. Die Ableistung des Dienstes eines Soldaten auf Zeit für mehr als drei Jahre könne aber dem gesetzlichen Wehrdienst nach § 48 Abs. 5 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) nicht gleichgestellt werden.

Im Widerspruchsverfahren trug der Kläger vor: Er habe sich im Anschluss an sein Abitur vorgezogen zum 10-monatigen Grundwehrdienst einberufen lassen. Spätere Wehr- oder Reserveübungen habe er durch den anschließenden freiwilligen zusätzlichen Wehrdienst von 13 Monaten vermeiden wollen. Den anschließenden Wehrdienst als Soldat auf Zeit habe er abgeleistet, um Geld für sein Studium zurücklegen und im Hinblick auf sein Studienziel Militärgeschichte Kontakte zum Militärgeschichtlichen Forschungsamt der Bundeswehr in Potsdam aufbauen zu können. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 9. Juni 2008).

Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) Berlin mit Urteil vom 21. Juni 2011 die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Juni 2008 verurteilt, dem Kläger Halbwaisenrente auch für den Zeitraum vom 1. Mai 2008 bis zum 28. Februar 2009 zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Kläger habe einen Anspruch auf Halbwaisenrente für 10 Monate über das Erreichen des 27. Lebensjahres hinaus. Nach § 48 Abs. 5 SGB VI erhöhe sich für den Fall der Unterbrechung oder Verzögerung einer Schul- oder Berufsausbildung durch gesetzlichen Wehr- oder Zivildienst die für den Waisenrentenanspruch maßgebliche Altersbegrenzung um den entsprechenden Zeitrau...

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