Entscheidungsstichwort (Thema)
Rentenversicherung. Versicherungspflicht eines im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätigen Selbständigen. Berater eines Direktvertriebsunternehmens. Amway-Berater
Orientierungssatz
1. Die selbständige Tätigkeit ist im Wesentlichen durch das eigene Unternehmerrisiko, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.
2. Wird die gezahlte Vergütung ausschließlich erfolgsabhängig gewährt, so ist das eigene Unternehmerrisiko des Betroffenen zu bejahen.
3. Dem Merkmal, auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Arbeitgeber tätig zu sein, ist Indizwirkung für die wirtschaftliche Lage des selbständig Tätigen beizulegen (vgl BSG vom 4.11.2009 - B 12 R 3/08 R = BSGE 105, 46 = SozR 4-2600 § 2 Nr 12).
4. Weil es nicht auf die individuelle soziale Schutzbedürftigkeit des Versicherungspflichtigen ankommt, ist es für den sozialen Schutzbedarf des Selbständigen ohne Bedeutung, ob daneben noch ein Versicherungspflichtverhältnis als Beschäftigter besteht. Damit ist unwesentlich, ob die selbständige Tätigkeit hauptberuflich oder lediglich nebenberuflich, soweit die Grenze der Geringfügigkeit überschritten wird, neben einer Beschäftigung ausgeübt wird (vgl BSG vom 4.11.2009 - B 12 R 7/08 R = SozR 4-2600 § 2 Nr 13).
5. Auftraggeber ist, wer im Wege eines Auftrags oder in sonstiger Weise eine andere Person mit einer Tätigkeit betraut, sie dieser vermittelt oder ihr Vermarktung oder Verkauf von Produkten nach einem bestimmten Organisations- und Marketingkonzept überlässt und dadurch eine wirtschaftliche Abhängigkeit des selbständig Tätigen ihr gegenüber begründet. Eine solche Einbindung im Wege eines Auftrages erfordert jedoch, dass eine vertragliche Bindung besteht, die es dem selbständig Tätigen nicht nur ermöglicht, sich des Organisations- und Marketingkonzepts zu bedienen, sondern die ihm zugleich nicht nur unwesentliche Verpflichtungen auferlegten, für einen anderen, nämlich den Auftraggeber, auch tätig zu werden (vgl BSG vom 4.11.2009 - B 12 R 3/08 R aaO).
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 05. August 2010 geändert.
Der Bescheid vom 20. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 2008 und der Bescheide vom 06. März 2008, vom 14. Oktober 2010 und vom 21. September 2011, soweit diese den Zeitraum bis zum 31. März 2003 erfassen, werden aufgehoben.
Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten des Verfahrens zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung von Versicherungspflicht und die Zahlung von Pflichtbeiträgen in Höhe 3149,70 Euro für die Zeit vom 01. Januar 1999 bis März 2003.
Der im Februar 1962 geborene Kläger ist aufgrund seines Beraterantrages vom 01. August 1992 als Berater der A GmbH tätig. Nach den vereinbarten Geschäftsbedingungen betreiben die Berater ihr Geschäft im eigenen Namen und für eigene Rechnung. Rechnungslegung und Abrechnung erfolgen immer an den Antragsteller (Berater). Der Versand erfolgt über die Sponsorlinie. Die von der A GmbH erworbenen Produkte dürfen nur an Endverbraucher und nicht an andere A-Berater verkauft werden. Der Berater muss direkt bei der A GmbH seine Produkte beziehen. Es gelten die im Beraterhandbuch, in den A Verhaltensstandards und in der Verfahrensordnung niedergelegten Bestimmungen. Zur Aufrechterhaltung der Beraterschaft muss diese jährlich durch Zahlung des jeweils gültigen Pauschalbetrages für Verwaltungsaufwand und Portokosten erneuert werden. Der Berater kann seine Beraterschaft jederzeit beenden.
Nach der Website von A, der Online Geschäftsmöglichkeit von A handelt es sich bei der A GmbH um ein Direktvertriebsunternehmen, das eine breite Palette an Produkten aus den Bereichen Schönheit, persönliche Pflege und Haushaltspflege sowie aus den Sparten Nahrungsergänzung und Wellness anbietet. Direktvertrieb bedeutet danach den Vertrieb von Produkten und Dienstleistungen direkt an den Kunden - im Allgemeinen erfolgt der Verkauf bei den Kunden zu Hause oder an deren Arbeitsplatz. Die Direktvertriebsleute (Berater) von A verdienen Geld durch den Verkauf von Produkten und Dienstleistungen an ihre eigenen Kunden und an die Kunden anderer in ihrem Netz befindlicher Direktvertriebsleute (Berater). Die Berater müssen keine Mindestmengen bestellen, keine Pflichtumsätze erwirtschaften und keine Gebühren entrichten oder Kündigungsfristen einhalten. Sie erhalten eine Vergütung für einerseits ihre Wiederverkaufsleistung (Handelsspanne und Bonus) und andererseits für die Unterstützung anderer Geschäftspartner, die (als Berater) für das Geschäft gewonnen wurden und die bei der Weiterentwicklung deren Geschäfte unterstützt werden (Provision).
Der Berater kann die Produkte und Dienstleistungen der A GmbH über die Internetplattform A erwerben. Über diese Internetplattform werden auch Produkte und Dienstleistungen anderer Unternehmen unter an...